: Standbild: Du großes, schönes Tier
■ Porscheland, ARD, Do. 20.15 Uhr
Sagt der Autoverkäufer zum Kunden: „Nehmen Sie doch diesen Porsche Carrera. Wenn Sie mit diesem Auto um fünf in Düsseldorf losfahren, sind Sie um sieben in Stuttgart.“ Sagt der Käufer: „Aber was soll ich um sieben in Stuttgart?“ Selbst die Porsche-Witze passen heute nicht mehr, seitdem die Kinder des Staus nur noch nachts mit 280 km/h über die Autobahn brettern können. Und selbst das tun sie nicht mehr ohne schlechtes Gewissen. Vor der Kamera von Radio Bremen zog der nächtliche Porsche-Raser den Brandschutz übers Gesicht, um nicht erkannt zu werden.
Mythos Porsche. Michael Busse und sein Team haben sich dem schillerndsten und schnellsten deutschen Automobil angenähert und den Porsche-Fahrern wie Herstellern Erstaunliches entlockt. Er habe weder rumgehurt, noch rumgesoffen, sondern sich das Geld für seinen Porsche „vom Munde abgespart“, bekennt ein Hamburger Fahrer. Ein italienisches Sektenmitglied hat gleich zehn Porsche, mehr als er Frauen gehabt hat. Seine Autos redet er mit „sie“ an und sie sind „wie ein großes, schönes Tier“. „Sie sieht so brav aus und ist doch so grausam“, deliriert er in die Kamera.
Busse hat aber nicht nur die klinischen Fälle des Zuffenhausener Autowahns dokumentiert (170.000 Mark für die zwei Jahre dauernde „Restauration“ eines alten Modells). Er hat den Porsche auch mittenhinein in die aktuelle verkehrliche und verkehrspolitische Diskussion gefahren. Gesperrte Innenstädte, Hupkonzerte im Stau, von Abgasen zerfressene Heilige im Schnittwechsel mit original Porsche-Feeling bei offenenem Verdeck und röhrendem Motor. Aber wie soll es weitergehen mit dem Porsche? Die Herstellerfirma redet sich mit Allgemeinplätzen Mut zu und umklammert fest das angestaubte Zukunftsbild der 60er Jahre. Doch heute muß der Porsche schon auf dem Teststand vor allem eines leisten: ein Überlebenstraining im Stop and go. Selbst Porsche-Fahrer fliehen die Stadt, weil die Luft dort „nur noch für Autos“ sei, wie eine Carrera-Besitzerin erbost feststellt.
Sehr schön hat Busse auch die Atmosphäre im Allerheiligsten eingefangen: dem Zuffenhausener Stammsitz der Firma. Hier weichen Chrom und ewige Jugend einer grauen schwäbischen Biederkeit. Hier werden verdiente Mitarbeiter vom Chef mit derselben händeringenden Sprachlosigkeit verabschiedet wie bei Uhren-Peter und Nudel- Fleig. Auch die Trophäensammlung erscheint nur noch wie eine Karikatur. Das waren noch Zeiten!
„Wenn man Gas gibt, fühlt man sich richtig jung, aber wenn man sich jung fühlen muß, dann ist man es nicht mehr.“ Auch Ferdi Porsche, der Senior im Werk, ist alt geworden. Und mit ihm der Traum von unbegrenzter Geschwindigkeit. Aber immerhin: Auch im Stau gibt ein Porsche noch mehr her als ein Opel Kadett. Der Kadett ist heute übrigens genauso schnell wie ein alter 911. Irgendwann nachts um halb eins zwischen Bochholt und Wanne-Eickel können das beide mal ausprobieren. Mit Gesichtsmaske, versteht sich. Manfred Kriener
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