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FNL, FBL, NDL?

■ Fünf neue Reiseheftchen erklären fünf neue Bundesländchen

Fünf neue Reiseheftchen erklären fünf neue Bundesländchen

VONRICHARDZEHM

Ein Merian-Chefredakteur darf nicht bescheiden sein. „Ein wenig Ordnung in dieses Informationschaos zu bringen“, begründet er selbstbewußt die Existenz seiner fünfbändigen Edition über die Bundesländer, die sich bis vor kurzem als DDR vorvereint hatten.

Dieses ordnungsgemäße Ziel hat der Verlag durchaus erreicht, vor allem (oder nur?) für den unbefleckt außenstehenden Betrachter aus den alten Bundesländern (ABL). Für einen Leser, der diese vierzig Jahre DDR in bester Absicht mitgestaltet hat, steckt sehr viel Bitterkeit in den Texten (zum Beispiel de Bruyn, Hans-Joachim Schädlich). Schließlich ist es auch eine Beschreibung seiner eigenen fehlerhaften Geschichte. Die wünscht sich ein Betroffener natürlich behutsamer.

Dabei entsteht die Schärfe der Texte gerade aus der unmittelbaren Betroffenheit ihrer Autoren, die in vielen Fällen besonders unter der scheinsozialistischen Herrschaft in der DDR zu leiden hatten (zum Beispiel Loest, Biermann). Sie rechnen nicht ab, aber genau nach, wie ihre Schicksale mit den beschriebenen Landschaften und Ländern verquickt sind. Beschrieben wird das Leben zwischen Ostsee und Erzgebirge, Elbe und Oder. Was war, was ist, was wird? Das ist nicht nur lesens-, sondern auch lobenswert, weil es den katastrophalen Zustand dieser fünf Bundesländer und ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft nicht der verheerenden Quellen beraubt.

„Daß die verhängnisvolle Mischung aus Gleichgültigkeit und Geldmangel im Sozialismus letztlich mehr zerstört hat als die Bomben des Zweiten Weltkrieges“, ist aber trotzdem nur die im Westen übliche Verurteilung eines gescheiterten Systems. Sie verschweigt, daß die Bewohner der DDR heute immer mehr um den Verlust vertrauter Lebensumstände und die Zerstörung kultureller Werte (von Museen bis Sportanlagen) fürchten müssen. Diese Verluste als verspätete „Kriegsschäden“ abzutun, nimmt den Menschen ihren Anspruch darauf und schützt die neuen Machthaber.

Eine Kassette von Reisebeschreibungen soll sicher nicht die Vergangenheit der DDR bewältigen. Aber wer Neues in die Debatte werfen will, muß sich zuerst von alten Thesen lösen. Das gelingt Merian immer dort, wo „Spuren gesichert und verschüttete Traditionen aufgespürt werden sollen“. Der Blick nach vorn bleibt verklärt optimistisch. Denn aus allen Heften spricht auch die Sorge um den kulturhistorischen Zerfall der Region, der nun aber wirklich nicht mehr den sozialistischen Planungshelden aufgerechnet werden kann. „Bürgermeister befürworten Abrisse ihrer historischen Stadtkerne, damit Hotels, Kaufhäuser und Banken ihre Betonburgen hochziehen können. Alleen sollen gefällt werden, um den Verkehr flüssiger zu machen.“ Die Warnung vor dem westlichen Verschleißkonsum ist angebracht und wird ohne unglaubwürdige Pathetik sachgerecht vorgetragen.

Redaktionelle Gestaltung und Auswahl des Bildmaterials sind sehr gelungen und halten auch für Einheimische wissenswerte Überraschungen bereit. Eingefügte literarische Texte und Essays zu den jeweiligen Ländern (von Königsdorf, Gaus unter anderen) ergänzen großbebilderte Reisereportagen und eine Landkarte der Ex-DDR, auf deren Rückseite zu erfahren ist, daß es in Halle am seltensten regnet, auf der Insel Rügen am wenigsten frostet und im Harz am schwächsten die Sonne scheint.

In einem Punkt wurde das angestrebte Ziel, Ordnung ins Informationschaos zu bringen, jedoch gründlich verfehlt: Die Diskussion, ob nun die FNL (fünf neuen Länder) oder FBL (fünf Bundesländer) die BRD (Bundesrepublik...) bis zur Oder ausdehnten, wird von Merian ignorant übergangen und durch einen neuen Vorschlag chaotisiert: NDL — neue deutsche Länder. Das ist ja wdb — wunderbar.

Merian-Kassette: Die fünf neuen Bundesländer, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1990, 750 Seiten, 64 D-Mark.

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