Gorbatschow kriegt weiter Kohle

■ Der Föderationsrat der Sowjetunion billigt den Haushaltsentwurf, der bis zum Abschluß eines neuen Unionsvertrags gilt/ Differenzen Gorbatschows mit Jelzin über den Etat-Anteil Rußlands beigelegt?

Moskau(afp/taz) — Der Föderationsrat der Sowjetunion, das erst kürzlich aufgewertete Gremium der Unionsrepubliken, stimmte auf seiner ersten Sitzung am Donnerstag einem gemeinsamen vorläufigen Haushaltentwurf für das Jahr 1991 zu. Damit ist die seit Dezember schwelende Haushaltskrise vorerst beendet. 'Tass‘ berichtete, in den nächsten Tagen werde der sowjetische Präsident Gorbatschow den Entwurfstext zur Unterschrift an die Regierungen der Republiken schicken. Ende Dezember hatte sich der Kongreß der Volksdeputierten nicht auf einen Übergangshaushalt einigen können, der bis zur Unterzeichnung des neuen Unionsvertrags die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Sowjetrepubliken und Moskau regeln soll. „Wir haben die Situation bereinigt“, freute sich Gorbatschow am Donnerstag abend im sowjetischen Fernsehen. Es handele sich um einen ersten Schritt auf dem Weg zur Unterzeichnung des künftigen Unionsvertrags. Die Suche nach einer Lösung sei schwierig gewesen, doch habe man sich auf Prinzipien einigen können, nach denen der Haushalt der Union und die Etats der Republiken neu gestaltet und aufgeteilt werden könnten. Gorbatschow übte sich auch in der vergessenen Kunst der Selbstkritik und bedauerte, soviel Zeit bis zur Ausarbeitung des Kompromisses „verloren zu haben“. Die Übereinkunft zeige jedoch, daß die schwierigsten Fragen gelöst werden könnten. Von Journalisten in der Hauptstadt wird die Einigung als Zeichen dafür gewertet, daß Gorbatschow und der Präsident der Russischen Föderation, Boris Jelzin, ihre Differenzen vorerst beigelegt haben. Die Russische Föderation hatte im Dezember beschlossen, in ihrem Haushalt 1991 die Zahlungen an die Union um 80 Prozent zu kürzen. Rußland hatte bis dahin mit rund 50 Prozent zur Finanzierung des sowjetischen Haushalts beigetragen.

Es war das erste Mal, daß die Vertreter der 15 Sowjetrepubliken in ihrer Funktion als Föderationsrat zusammenkamen. Auch die drei baltischen Republiken waren anwesend, obwohl der litauische Vertreter Eigidius Bickauskas ausdrücklich nur als Beobachter an dem Treffen teilnahm und als einziger das Abkommen nicht unterzeichnete. Nach Angaben von 'Tass‘ erklärte Litauens Ministerpräsidentin Kazimiera Pruskiene, ihre Republik werde sich nicht am Unionshaushalt beteiligen, weder am gemeinsamen Devisenfonds noch am Aufbau der Sowjetunion. Sie fügte jedoch hinzu, Litauen wolle weiterhin Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit den anderen Republiken und der Zentralregierung unterhalten. Zu den wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten erklärte Gorbatschow in gewohntem Optimismus: „Es wird alles getan, eine Verschlechterung der Nahrungsmittelversorgung zu vermeiden.“