: Stimmung gegen Asylbewerber
■ Bei „neuem Rekord“ von Asylanträgen fehlen Angaben über die Zahl der in der BRD gebliebenen Flüchtlinge
Bonn (ap) — Die Zahl der Anträge auf politisches Asyl hat nach Angaben des Bundesinnenministeriums 1990 mit insgesamt 193.063 Anträgen einen „neuen Rekord“ erreicht. Wie Innenminister Schäuble am Freitag in Bonn bekanntgab, betrug die Steigerung gegenüber dem Vorjahr 59,1 Prozent. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat in der Berichtszeit über 148.842 Anträge entschieden und dabei lediglich 6.518 Personen als Flüchtlinge anerkannt. Das entspreche einer Quote von 4,4 Prozent. 1989 habe die Anerkennungsquote fünf Prozent betragen. Wie bereits in den Vorjahren sind in diesen Zahlen keinerlei Angaben über den tatsächlichen Verbleib der Flüchtlinge enthalten. Nach Informationen von Flüchtlingsorganisationen benutzt ein großer Teil der Antragsteller die BRD nur als Transitland.
Schäuble bezeichnete es als vordringliche Aufgabe seiner Flüchtlingspolitik, „die Ursachen der Flüchtlingsströme in den Herkunftsländern“ zu bekämpfen. Die Zunahme der Asylbewerber sei Folge des wirtschaftlichen und sozialen Gefälles zwischen den Wohlstandsländern und den Armutsländern, sagte der Minister. Mit diesem Problem seien alle westeuropäischen Staaten konfrontiert.
„Notwendig ist ein europäisches Asylrecht“, forderte der CDU-Politiker erneut. Dies könnte auf der Linie der Genfer Flüchtlingskonvention liegen. Ein europäisches Asylrecht erfordert nach Schäubles Auffassung auch eine Änderung des Grundgesetzes. Spätestens bis zur Öffnung der Grenzen in Europa Ende 1992 sei ein gemeinsames Asylrecht notwendig. In der Koalition sei vereinbart worden, die verfassungsrechtliche Frage in den nächsten zwei Jahren zu lösen.
Schäuble wies darauf hin, daß in der Vergangenheit etwa 50 Prozent aller Asylbewerber, die nach Westeuropa gekommen sind, in der Bundesrepublik um Asyl nachgesucht haben. In der Gemeinschaft müsse erreicht werden, die Asylbewerber innerhalb Europas entsprechend der Aufnahmefähigkeit eines jeden Staates zu verteilen.
Die Bundesrepublik werde am 24.Januar in Wien an einer Ministerkonferenz über Ost-West-Wanderungsfragen teilnehmen, kündigte Minister Schäuble an. Daran beteiligten sich die 24 Mitgliedsstaaten des Europarates sowie osteuropäische Länder.
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