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Über die Niederlage trauern

■ Familientreffen der linken Organisationen: Vorbereitung für eine überregionale »Oppositionskonferenz«/ Hausaufgaben: Überwindung von »Grabenkämpfen«

Berlin. Die Anhänger verschiedener linker Organisationen wollen eine gemeinsame Oppositionspolitik für das vereinte Deutschland entwickeln. Darauf verständigten sich die etwa 100 Teilnehmer einer parteiübergreifenden Konferenz von Linken aus den Grünen, der PDS und anderen Gruppen gestern in Berlin. Auf weiteren Arbeitstreffen soll unter anderem eine breitangelegte »Oppositionskonferenz« unter Beteiligung der Bürgerbewegungen vorbereitet werden.

Die Debatte war von einer weitgehenden Ratlosigkeit angesichts der Isolation der Linken nach der Bundestagswahl geprägt, bei der die Grünen an der Fünfprozentklausel scheiterten. Die PDS habe sich dabei als »Regionalpartei« erwiesen, die nur auf dem Gebiet der ehemaligen DDR über einigen Rückhalt verfüge, sagte der frühere Grünen-Abgeordnete Jürgen Reents, der den Wahlkampf der PDS im Westen unterstützt hatte.

Alle anderen Hoffnungen auf einen neuen nationalen politischen Faktor der Linken hätten sich als Illusion erwiesen. Die Europaabgeordnete der Grünen, Claudia Roth, beklagte die »schreckliche Unfähigkeit, über die Niederlage zu trauern und konstruktiv mit ihr umzugehen«. Zur Überwindung dieser Haltung könne auch ein »Familientreffen« der linken Bewegung wie das am Sonntag beitragen.

Nach Auffassung des PDS-Präsidiumsmitglieds Helga Adler ist die weitere Entwicklung ihrer Partei offen. »Es ist noch nicht entschieden, ob es der PDS gelingt, die SED zu überwinden und zu einer wirklich offenen modernen sozialistischen Partei zu werden.« Sie plädierte wie zahlreiche andere Redner für die Entwicklung einer breiten außerparlamentarischen Bewegung, die auch von den linken Parteien unterstützt werden müsse.

Die durch die Vereinigung entstandenen sozialen Probleme dürften nicht den Rechten überlassen werden. Alle Linken rief sie dazu auf, ihre »alten Grabenkämpfe« und die in der letzten Zeit die Öffentlichkeit entnervenden Flügelkämpfe zu überwinden.

Zahlreiche Redner unterstrichen die Notwendigkeit, innerhalb der nächsten vier Jahre eine neue Politikfähigkeit der Linken quer zu den alten Organistionsstrukturen zu entwickeln.

Dabei dürfe es keine »Kontaktsperre« geben. Sonst drohe die Gefahr, daß bei der nächsten Bundestagswahl linke Positionen und Gruppen völlig ins Abseits gerieten. Weitgehende Einigkeit bestand darin, die mögliche deutsche Beteiligung an einem Golfkrieg zu einem zentralen Thema aller Linken in der nächsten Zeit zu machen. Diese Frage könne bald eine ähnliche Bedeutung wie die Auseinandersetzung um die Kriegskredite im Jahre 1914 erhalten. dpa

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