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Kahlschlag für rot-grüne Projekte?

■ Interner Plan des Finanzsenators: Wenn Waigel nicht für Ost-Berlin zahlt, müssen BVG, Universitäten und der soziale Wohnungsbau im Westteil der Stadt bluten/ Auch geplante Tiefbauarbeiten und rot-grüne Vorhaben werden weggekürzt

Berlin. Die BVG, die Universitäten im Westteil der Stadt und der soziale Wohnungsbau werden am meisten bluten müssen, wenn Bundesfinanzminister Waigel (CSU) stur bleibt und dem Land Berlin die gewünschten sechs Milliarden Mark für den Ostberliner Haushalt verweigert. Finanzsenator Norbert Meisner (SPD) hat bereits im Dezember Sparpläne entwickelt, wie in diesem Fall Gelder aus dem Westberliner Teilhaushalt in den Etat für den Osten umgeschichtet werden müßten. Der taz liegt ein Rundschreiben vor, das Meisner nach Absprache mit der CDU schon am 14. Dezember abgesandt hat. »Wegen der bisher noch weitgehend ungeklärten Einnahmesituation« ordnet der Finanzsenator dort vorläufige Sperrungen für eine ganze Reihe von Ausgabenposten an. Damit sei eine Vorentscheidung über endgültige Kürzungen verbunden, wird unter SPD-Finanzpolitikern eingeräumt — für den wahrscheinlichen Fall, daß sich die »Einnahmesituation« nicht entscheidend bessert.

Mit dem Rundschreiben werden nicht nur — wie bereits gemeldet — 20 Prozent der pauschalen Zuwendungen an die Stadtbezirke gesperrt, sondern auch zehn Prozent der Ausgaben, die unter dem Begriff »Fünfer- und Sechsergruppe« im West- Haushalt firmieren. Unter diesem Titel fließen Zuwendungen an diejenigen Institutionen, die zwar dem Senat zugeordnet sind, formal aber unabhängig von ihm wirtschaften.

Am schlimmsten träfe es die Wissenschaftseinrichtungen. Hier ließ Meisner insgesamt 209 Millionen Mark sperren. FU, TU und HdK, die unter Rot-Grün mit jährlich 63 Millionen Mark zusätzlich bedacht worden waren, sollen jetzt erneut auf 150 Millionen verzichten: Erst ein Schritt vor, jetzt zwei zurück. Für die Senatsverwaltung für Arbeit, Verkehr und Betriebe sperrte Meisner 177 Millionen Mark. Die Zuwendungen an die BVG müßten danach von 900 Millionen auf 830 Millionen Mark sinken, höhere Tarife für die Fahrgäste werden fast unausweichlich. Hart getroffen wird auch die Senatsbauverwaltung. Die 196 Millionen, die Meisner hier sperren ließ, fehlen bei der Förderung des sozialen Wohnungsbaus.

Das Rundschreiben sei zunächst eine »Vorwarnung«, sagte Meisners Sprecher Uli Oel gestern gegenüber der taz. Ob die gesperrten Mittel endgültig gestrichen werden müßten, zeige sich nach Abschluß der Verhandlungen in Bonn. Trotzdem spricht einiges dafür, daß der Rotstift wirklich bei BVG, Universitäten und Wohnungsbau angesetzt wird. Die Sperrungen für diese Einrichtungen summieren sich insgesamt — zusammen mit den Sperrvermerken für die Bezirke — auf 1,1 Milliarden Mark. Verglichen mit den sechs Milliarden, die im Ostteil der Stadt fehlen, ist das eine lächerliche Summe. Sie wird wohl selbst bei einem günstigen Verlauf der Verhandlungen in Bonn am Ende fehlen, so daß die Löcher mit Geldern aus West-Berlin gestopft werden müssen.

In der Senatsfinanzverwaltung kann man darüber hinaus gute Gründe nennen, warum gerade bei diesen Zuwendungen gespart werden sollte. Die Personalausgaben des Senates beispielsweise ließen sich kurzfristig nicht reduzieren. Man könne schließlich nicht »von heute auf morgen die Leute rauswerfen«. Auch die eingeplanten Investitionen will Meisner nur ungern kürzen. Immerhin sei das »das letzte, was die Wirtschaft einigermaßen in Schwung hält«. Einzige Ausnahme: Im Westberliner Tiefbauetat könnte nach Ansicht von SPD-Finanzexperten noch kräftig gekürzt werden. Die bisher praktizierte »Luxusstraßensanierung« müsse wohl ebenso dran glauben wie die eine oder andere Maßnahme zur Verkehrsberuhigung.

Der haushaltspolitische Sprecher der AL-Fraktion, Bernd Köppl, fürchtet darüber hinaus einen »Kahlschlag für rot-grüne Projekte«. Von SPD und AL neu im Haushalt verankerte Vorhaben — die Energieberater in den Bezirken, ein Projekt zur Förderung der Solarenergie, einige Selbsthilfegruppen — könnten unter die Räder kommen. Die Befürchtung ist nicht unbegründet. In Meisners Rundschreiben heißt es explizit: »Neue Maßnahmen, die zur Leistung von Ausgaben führen oder führen können, sollen grundsätzlich zurückgestellt werden.« hmt

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