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Zu Fuß gegen die Abwicklung

■ Berliner Studenten von Kommilitonen in Leipzig nach Fußmarsch empfangen/ Vorwurf der Transaktion mit PDS-Millionen von Humboldt-Rektor Fink mit Vehemenz zurückgewiesen

Berlin/Leipzig. Am siebenten Tag ihres Protestmarsches von Berlin nach Leipzig erreichten die Studenten der Humboldt-Universität gestern ihr Ziel. Fast 200 Kilometer lagen hinter ihnen, als sie sich auf dem Weg ins Zentrum gegen »Bildungskahlschlag« und »ideologische Bevormundung« auf ihren Transparenten wandten. Am späten Nachmittag demonstrierten mehrere tausend Studenten vor der seit Mitte Dezember besetzten Karl-Marx-Uni und machten auf die »politischen, rechtlichen und formalen Vorbehalte« gegen die Abwicklung aufmerksam. Sie würden sich nicht für Altstalinisten einsetzen, sondern für ein Mitspracherecht der Studierenden bei der »dringend notwendigen Neustrukturierung der Hochschulen«. Auch naturwissenschaftliche Bereiche müßten in die Umgestaltung miteinbezogen werden, weil es auch dort »Ideologielastigkeiten« gegeben hat.

Während die Rektoren Sachsen- Anhalts trotz »rechtlicher Bedenken einiger Mitglieder« die umstrittene Abwicklung anerkannten, kämpfen die Berliner Studenten gemeinsam mit ihrem Rektor, der sie fast jeden Tag auf ihrem Fußmarsch aufgesucht hat, weiter gegen die Umstrukturierung von außen. Zu Studienbeginn gehen die Aktionen an der Humboldt-Universität weiter: Nach einer Vollversammlung am Mittwoch wird die Urabstimmung über einen zweitätigen Warnstreik beginnen. Ob sie den durchkriegen, ist sich der aktive Kern des Studentenrates nicht sicher. Viele engagieren sich erst dann, wenn es ihnen an die Substanz geht, sagt Ilko Kowalczuk, Sprecher des Studentenrates. Vor allem die Leute in den überführten Bereichen würden sich in einer Sicherheit wiegen, die unberechtigt sei, meint Kowalczuk — sie glaubten, sich so raushalten zu können. Dabei fordern gerade die Humboldt-Studenten eine Erneuerung aller Bereiche und Institute ihrer Alma mater.

Inzwischen muß sich die Humboldt-Universität eines erneuten Vorwurfs erwehren. Als »gelogen und außerdem unverschämt« bezeichnete der Rektor Heinrich Fink die in verschiedenen Medien aufgestellten Behauptungen, es gebe eine Transaktion mit PDS-Millionen für die berufliche Zukunft ehemaliger SED-Professoren. Es sei richtig, so der Rektor, daß die Uni im Rahmen der Vergabe von PDS-Geldern eine Summe von 250 Millionen DDR- Mark zum Zwecke einer Stiftung erhalten habe. Dieses Geld sei für Forschungen auf dem Gebiet der Lebens- und Naturwissenschaften gedacht. Von dieser Geldsendung habe auch der damalige Bildungsminister Meyer gewußt. Seitdem liegt es halbiert auf einem Sperrkonto, und die Treuhand habe über dessen Freigabe zu befinden. anbau

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