: Wie geht's juristisch weiter?
■ Mietrechtsexperten: Rechtsstaatliche Räumung kurzfristig nicht in Sicht
Wie geht es nach dem gestrigen Räumungsurteil des Hamburger Landgerichtes gegen den Verein Hafenstraße, der die umstrittenen Häuser gepachtet hat, weiter? Wolfgang Dirksen, Chef der städtischen Hafenrand GmbH, kündigte unmittelbar nach dem Urteilsspruch an, seine Gesellschaft werde die geforderte Sicherheitsleistung von 82.500 Mark umgehend hinterlegen. Damit wäre die Vollstreckbarkeit des Urteils für die Stadt gesichert.
Der Verein Hafenstraße jedoch kann die Aufhebung der Vollstreckbarkeit beantragen, und zwar mit Verweis auf die angekündigte Berufung sowie die „nicht zu ersetzenden Nachteile“, die dadurch entstehen würden, daß die Häuser aufgrund existierender Abrißgenehmigungen nach einer Räumung sofort dem Erdboden gleichgemacht werden könnten. Diesen Antrag könnte das Oberlandesgericht nach gängiger rechtsstaatlicher Praxis nur dann ablehnen, wenn der Berufung schon nach Aktenlage keine Ausssicht auf Erfolg attestiert werden kann.
Dies ist die eine juristische Ebene, auf der der Streit weiterlaufen wird. Die andere betrifft die Frage, ob mit einem Räumungstitel gegen den Verein auch die einzelnen MieterInnen rausgeschmissen werden können. Jürgen Twisselmann vom Verein „Mieter helfen Mietern“ beantwortet diese Frage mit einem klaren „Nein“. Es müßten Räumungsurteile gegen jeden einzelnen Bewohner vorliegen, so der Mietrechtsexperte.
Das Urteil gegen den Verein als Pächter könne nur auf jene BewohnerInnen umgeschrieben werden, die nach Einreichung der Klage durch die Hafenrand GmbH eingezogen seien. Sollte die Hafenrand GmbH diesen Personenkreis ermitteln (es läuft ein Verfahren, um den Verein Hafenstraße zur Auskunft zu zwingen), könnte bei diesen Personen tatsächlich in absehbarer Zeit der Gerichtsvollzieher vor der Tür stehen.
Für alle anderen jedoch, so betont Twisselmann, werde sich ein wirklich rechtsstaatliches Verfahren noch in die Länge ziehen. So hat es auch die Hamburger Polizei in ihrer Hauszeitschrift 'Interne Informationen‘ vom 23. November 1990 gesehen. Unter dem Titel „Räumung der Hafenstraße — Alptraum oder Fata Morgana“ heißt es, daß „mit einer vollständigen Räumung frühestens 1992 gerechnet werden kann. Realisten gehen aber von einem endgültigen Ende nicht vor Dezember 1993 aus.“
Will Bürgermeister Voscherau die von ihm gewünschte Räumung der bunten Häuser noch vor dem Wahltermin realisieren, so muß er sich halblegaler Mittel bedienen. Eine Möglichkeit dazu wäre, aufgrund der bestehenden Abrißgenehmigungen sofort vollziehbare Abrißverfügungen zu erlassen. Per Verwaltungsakt könnten auf dieser Grundlage ebenfalls sofort vollziehbare Räumungsverfügungen erlassen werden. Ein derartiges Vorgehen wäre allerdings „eindeutig rechtsmißbräuchlich“, so Twisselmann.
Die andere Möglichkeit besteht darin, daß es bei der Räumung der MieterInnen, die nach Einreichung der Klage eingezogen sind, zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt. Dann könnte versucht werden, nach dem Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG) zu räumen und sofort abzureißen. Auch das wäre allerdings höchsten halblegal, da mittels SOG nur eine unmittelbar drohende Gefahr, nicht etwa Wohnhäuser beseitigt werden sollen. Kai Fabig
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