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Astronauten bald arbeitslos?

Amerikanische Wissenschaftler kritisieren die US-Raumfahrtbehörde/ Die Probleme der Nasa haben lächerliche Ausmaße angenommen/ „Nationales Prestige“ und „Wettbewerb mit den Russen“ bestimmten die bemannten Weltraumvorhaben  ■ Von Silvia Sanides

Als im April 1981 die erste amerikanische Raumfähre startete, kommentierte der damalige Präsident Ronald Reagan euphorisch: „Die Fähre hat mehr getan, als unsere technologischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Sie läßt uns wieder träumen.“ Heute ist der Traum von der bemannten Weltraumfahrt zu einem Alptraum geworden, dem Fachleute beiderseits des Atlantiks ein Ende setzen wollen.

Im Dezember nahm die „Deutsche Physikalische Gesellschaft“ die bemannten Raumfahrtprogramme der Europäischen Raumfahrtorganisation (ESA) unter Beschuß (siehe taz vom 19.12. 1990). Zur gleichen Zeit ging eine vom Weißen Haus eingesetzte Kommission zur Überprüfung der US-Raumfahrtbehörde (Nasa) mit ihren Ergebnissen an die Öffentlichkeit. Ihr Fazit: Die Nasa soll ihre Ladungen zukünftig mit unbemannten Raketen ins All steuern. Das Design des Weltraumlabors Freedom muß erheblich vereinfacht werden, um die Zeit, die Astronauten im Weltraum verbringen, zu reduzieren. Zukünftige Schwerpunkte der Raumfahrt sollen unbemannte wissenschaftliche Programme wie Satellitenerderkundungen und die Erforschung von Planeten mit automatischen Sonden sein.

Das Klosett war verstopft

Die Überprüfungskommission war eingesetzt worden, nachdem die Probleme der Nasa lächerliche Ausmaße angenommen hatten. Die Raumfähren konnten wegen Treibstofflecks nicht starten; das als „Kronjuwel der Nasa“ gefeierte Weltraumteleskop Hubble ließ sich nicht scharf stellen; die geplante Weltraumstation Freedom erforderte 6.200 Stunden an Wartungsarbeiten durch im Weltraum schwebende Astronauten bevor sie überhaupt zusammengebaut war, und zu guter Letzt war auf dem jüngsten Fährenausflug der Abort verstopft. Zuviel versucht die Raumfahrtbehörde mit zuwenig Geld zu tun, schloß die Kommission jetzt. Daß die Nasa an „Gigantismus“ leidet, haben Kritiker schon lange moniert.

Kommissionsvorsitzender Norman Augustine äußerte zusätzlich Bedenken, die von offizieller Seite bisher kaum ausgesprochen wurden: Mit guter Wahrscheinlichkeit könne es in den nächsten Jahren zu einer weiteren Raumfährenkatastrophe kommen. Als 1986 die Raumfähre Challenger mit sechs Astronauten explodierte, hatte die Nasa die Wahrscheinlichkeit einer Katastrophe von einem in 100.000 auf die vom Militär errechneten einem in 35 Fällen revidieren müssen. Die Challenger war die 25. Fähre, die an den Start ging. Das Pentagon hat seine kostbaren Spionagesatelliten seit der Katastrophe mit sichereren unbemannten Titanraketen auf die Umlaufbahn gebracht. Die Nasa schießt ihre Astronauten weiterhin in der Raumfähre gen Himmel, mußte aber ihr ambitiöses Programm von geplanten sechzig Fährenstarts im Jahr erheblich abspecken. Ganze vier Mal rauschten die bemannten Shuttles im letzten Jahr in den Weltraum.

Knappe Gelder und technische Mißgeschicke sind jedoch nur oberflächlich für die neue Kritik an der bemannten Raumfahrt verantwortlich. Entscheidender ist, so der frühere Nasa-Mitarbeiter Burt Edelson, daß die Nasa mit dem Ende des Kalten Krieges ihre Mission verloren hat. Edelson, der dabei war, als die zivile Raumfahrt aus der Taufe gehoben wurde, erinnert sich: „Wir sind an die Tafel gegangen, ...haben die Ziele des zivilen Raumfahrtprogramms aufgeschrieben. Ganz oben stand ,nationales Prestige', und wir diskutierten über unser Image unter anderen Nationen... und über den Wettbewerb mit den Russen... Dies war offensichtlich vorrangig. Es war der Hauptgrund für das Weltraumprogramm. Wir führten zwar andere Punkte weiter unten an, konnten uns aber in keinem einigen: Erforschung, Wissenschaft, Anwendung, Spin-offs...“

Nur die Experten freuen sich noch

Die zivile Weltraumfahrt sollte also als Waffe des kalten Kriegs dienen. Und da in diesem Krieg der äußere Schein mindestens genauso wichtig war wie technologische Fortschritte, mußte die Raumfahrt bemannt sein. Niemand erinnert sich daran, daß die Sowjets schon — ohne Astronauten — auf dem Mond gelandet waren, bevor Neil Armstrong seinen weltweit bekannten „Schritt für die Menschheit“ tat.

Nur Experten und informierte Laien erfreuen sich an den atemberaubenden Erfolgen der Raumsonde Voyager, die das Sonnensystem bis zum Neptun durchstreift. Oder, wie die Augustine-Kommission es formulierte, wen würde es schon interessieren, wenn ein Paket von Instrumenten den Gipfel des Mount Everest erreicht?

Ungewiß ist deshalb, so Nasa-Beobachterin Jessica Mathews, in welcher Form die Nasa die Wende zur unbemannten Raumfahrt überleben wird: „Was, wenn überhaupt, kann den kalten Krieg als Rechtfertigung für die Kosten des Weltraumprogramms ersetzen?“ — zumal „die Wahrung des nationalen Prestiges“ sich geändert hat. Heute zählen „Symbolismus und Romantizismus auf der internationalen Bühne weniger, als das was unterm Strich steht“. So könnte die Weltraumfahrt, ihrer ursprünglichen Mission beraubt, zukünftig zu einem unter vielen Wissenschaftszweigen werden, die sich alljährlich um staatliche Gelder raufen müssen.

AmerikanerInnen, die dennoch weiter träumen wollen, haben jedoch noch eine Chance: Im Dezember gab das texanische Reisebüro „Space Travel Services“ (Weltraumfahrt- Dienste) eine Verlosung mit dem Namen „The Ultimate Adventure“ (Das endgültige Abenteuer) bekannt. Der Gewinner darf eine Woche auf der russischen Weltraumstation Mir verbringen. Mitmachen lohnt sich auf jeden Fall. Wer im letzten Moment den Mut verliert, bekommt einen Alternativpreis von 1,5 Millionen Dollar.

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