: Die polnische Furcht vor den fernöstlichen Giganten
Auch die Ostseewerften rechnen ihre UdSSR-Aufträge nun in Dollar ab/ Subventionen gestrichen, aber die Devisenerwirtschaftung nicht erleichtert ■ Aus Danzig Klaus Bachmann
Die polnischen Werften müssen zur Zeit mit erheblichen Veränderungen fertigwerden. Nicht nur die Umstellung der alten RGW-Verrechnung von Rubel auf Dollar gehört dazu, sondern auch die Streichung der damit zusammenhängenden Subventionen, die von der Regierung bereits im alten Jahr verfügt worden ist. Dabei ist die Lage der Schiffbauer von der Ostsee recht widersprüchlich.
Bislang waren die Finanzierungsbedingungen für die Schiffe, die in die UdSSR exportiert wurden, für die Werften äußerst nachteilig. Polens führender Seewirtschaftsfachmann und Lehrer an der Polytechnischen Hochschule in Danzig, Professor Doerffer, lobt hingegen die Verrechnungsweise bei Aufträgen aus dem kapitalistischen Ausland: „Westliche Reedereien haben bisher einzelne Etappen der Produktion finanziert. Nach einer festgelegten Produktionsstufe wurde ein Teilbetrag überwiesen. RGW-Kontrakte dagegen mußten von den polnischen Werften vorfinanziert werden.“
Zusätzlich zu dieser enormen Kapitalbindung bedeutete die hohe polnische Inflation eine unmittelbare Kostensteigerung, denn der Verfall des Geldwertes blieb im starren Wechselkurs zwischen Zloty und Rubel so gut wie unberücksichtigt. Und auch die Hartwährungsbedürfnisse der Regierung in Warschau sorgte für Benachteiligungen. Doerffer: „Während die Banken hohe Zinsen für Devisenkredite verlangten, froren sie Devisenerlöse aus Westexporten zum Nulltarif ein. Die Werften selbst konnten nur über einen geringen Anteil der Devisen selbst verfügen.“ Folge: Die Regierung mußte insbesondere die RGW- Exporte bezuschussen, wodurch der Eindruck entstand, die Werften seien unrentabel. „Tatsächlich haben wir durchaus moderne Werften“, hält Doerffer dem entgegen — beispielsweise die Werft „Pariser Kommune“ in Gdynia.
Der Wissenschaftler ist auch überzeugt, daß die Konjunktur auf dem Weltmarkt für Schiffbau in Fahrt kommt: „Hier ist zur Zeit eine starke Überalterung festzustellen. Das Durchschnittsalter der Weltflotte beträgt zur Zeit 18 Jahre, 1975 betrug es gerade acht. Im Durchschnitt kann man aber ein Schiff nur etwa 12 Jahre lang nutzen. Folglich muß die Nachfrage in absehbarer Zeit steigen.“
Die Ausgangslage Polens ist dabei allerdings nicht die beste: Noch 1987 lag Polen in der Hitliste der Schiffbau-Nationen nach der Anzahl der gebauten Schiffe auf dem zweiten Platz und nach Bruttoregistertonnen auf dem fünften. Heute rangiert Polen nur noch unter „ferner liefen“. Doerffer fürchtet denn auch, daß besonders die fernöstlichen Hersteller, insbesondere Südkorea, Japan und China, den Markt monopolisieren könnten. Schon jetzt entstammen mehr als zwei Drittel der Weltproduktion auf diese Region.
Nur scheinbare Verbesserung
Mit der Umstellung der Rubel- auf die Dollarverrechnung hat sich die Ausgangslage für die Werften jedoch nur scheinbar verbessert. „Wir haben keine Ahnung, wie die Verhandlungen über die laufenden Kontrakte mit der UdSSR ausgehen werden“, gibt Doerffer zu. Denn in der UdSSR gilt das in Polen inzwischen abgeschaffte System der unmittelbaren Devisenbewirtschaftung noch. Die Sowjet-Reedereien haben daher enorme Schwierigkeiten, die nötigen Mittel aufzubringen. Staatliche Exportgarantien aber gibt es innerhalb des Ex-RGW praktisch nicht.
Solange nun diese Kontrakte nicht gesichert sind, ist es wiederum sehr schwer, ausländische Geldgeber zu finden, die bereit sind, in die Werften zu investieren. Vor diesem Problem stand bereits die Danziger Werft — die Gdinger Kollegen haben es nun mit einer norwegischen Reederei. Die wollte im Gesellschaftsvertrag gleich festlegen, daß der polnische Staat, die Werft oder die zuständige Außenhandelszentrale die Verluste aus laufenden Verträgen übernimmt.
Doch soll der Staat ausländische Unternehmen subventionieren? Doerffer ist vorsichtig, wenn es um Joint-ventures im Schiffsbau geht. Das geltende Recht verleite allzu leicht dazu, Gewinne zu privatisieren und Verluste zu verstaatlichen. Durch die Steuergesetze würden die Werften geradezu in die Arme ausländischer Reeder getrieben.
Seit fast zwei Jahren gilt nun schon die gefürchtete Lohnzuwachssteuer, mit der Finanzminister Balcerowicz per Lohnbremse die Inflation weitgehend erfolgreich bekämpft hat. In bestimmten Branchen, so behaupten Experten, wirke sich die Lohnbremse allerdings kontraproduktiv aus, dort nämlich, wo unkontrollierte, durch die Produktivität nicht gerechtfertige Lohnsteigerungen durch die Konkurrenz — etwa auf dem Weltmarkt — sowieso schon verhindert werden. Doerffer: „Eine solche Situation haben wir bei den Werften.“ Die nämlich haben zahlreiche brachliegende Kapazitäten, die jedoch nicht genutzt werden können, weil die Löhne in der Branche zu niedrig sind und daher Arbeitskräfte fehlen.
Das ändert sich jedoch schlagartig, wenn sich ein Ausländer mit mindestens 20 Prozent an einer Werft beteiligt; für Joint-ventures gilt die Lohnbremse nicht. Unter Umständen könnte daher das Zustandekommen eines Gemeinschaftsunternehmens mit der Werft in Gdingen für den endgültigen Garaus der nahegelegenen Danziger Werft sorgen: „Die Werft in Gdingen würde wie ein Magnet alle besserqualifizierten Arbeitskräfte anziehen.“
Proteste gegen die Privatisierung
Nicht alle Werftarbeiter sind allerdings von der anstehenden Privatisierung begeistert, auch wenn viele dadurch auf höhere Löhne hoffen. In Szczecin (Stettin) gab es bereits erste Proteste gegen die geplante Privatisierung der Warski-Werft. Die ist eine der Hochburgen der radikalen Gewerkschaft „Solidarność '80“ des Walesa-Kritikers Marian Jurczyk. Ähnlich wie die zahlenmäßig weit stärkeren, im Dachverband OPZZ vereinigten Gewerkschaften sieht auch Jurczyk in der Privatisierung vor allem die Gefahr eines „Ausverkaufs an das Ausland“. Doerffer zieht daraus vor allem den Schluß, das Wirtschaftsrecht müsse schnell geändert werden. Doch in Warschau, so meinen vor allem viele Stettiner Schiffahrtslobbyisten, könne man mit den Problemen der Küstenregionen wenig anfangen.
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