: Mit der Knarre „sozial abfedern“
■ Ex-Staatssekretär Marcinek verteidigt NVA-Waffenverkauf als Sozialtat
Berlin (adn/dpa) — Die Gelder aus Waffenverkäufen der Nationalen Volksarmee (NVA) sollten nach Angaben des früheren Staatssekretärs im DDR-Verteidigungsministerium, Frank Marcinek, auch die „soziale Abfederung“ ausscheidender NVA-Angehöriger finanzieren. Nach einem Beschluß des Ostberliner Ministerrats vom vergangenen August über eine beschleunigte Abrüstung und Konversion habe man vor dem Problem gestanden, die Waffenberge mit Kosten zu vernichten oder mit Gewinn zu verkaufen, sagte Marcinek am Dienstag gegenüber der Nachrichtenagentur 'adn‘. Wie der ehemalige Staatssekretär einräumte, wurden wegen des Zeitdrucks viele Dinge unter Wert veräußert. Er reagierte damit auf Vorwürfe, die DDR-Regierung habe noch kurz vor der Vereinigung Volksvermögen verschleudert.
Den umstrittenen Waffengeschäften hätten staatsrechtliche Bestimmungen zugrunde gelegen, sagte Marcinek. Eine Vorbehaltsklausel in den Verträgen sichere der Bundeswehr als Rechtsnachfolgerin der NVA die Möglichkeit zu, die Abschlüsse einzulösen oder dies zu unterlassen. Das Bundesverteidigungsministerium sei über die Verkaufsabsichten des DDR-Ministeriums unter Führung von Verteidigungsminister Rainer Eppelmann unterrichtet gewesen. Eine Liste „der sofort verfügbaren Waffen und Ausrüstungen“ für den Reexport sei Anfang September an die Hardthöhe übergeben worden. Diese Liste wurde Marcinek zufolge mit Anmerkungen, was nicht verkauft werden dürfe, an das Ostberliner Verteidigungsministerium zurückgesandt worden.
Selbst der Bonner Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg bestärkte laut Marcinek das DDR-Ministerium darin, NVA-Material zu beseitigen, da für die vereinten deutschen Streitkräfte ohnehin einheitliches Material angestrebt werde. Hinter den Anschuldigungen gegen frühere DDR-Verantwortliche vermutete Marcinek ein Ablenkungsmanöver von aktuellen Problemen wie dem Bundeswehreinsatz am Golf und laufenden Rüstungsprojekten sowie der Versuch, ostdeutschen Politikern Unfähigkeit nachzuweisen. Der Vorwurf der „Verschleuderung von Volksvermögen“ treffe eher auf die Bundesregierung zu, die NVA- Güter im Wert von 2,1 Milliarden DM an die Türkei verschenkt habe.
Unterdessen wies auch Ex-Verteidigungsminister Rainer Eppelmann (CDU) die Vorwürfe des illegalen Waffenverkaufs erneut zurück. Er machte eine bemerkenswerte Rechnung auf: Bereits im Juli vergangenen Jahres habe man ihm Waffeneinkäufe von mehr als einer Milliarde Mark angelastet, nun gehe es um angebliche Waffenverkäufe, sagte Eppelmann am Dienstag vor Journalisten in Berlin. „Eine Milliarde Plus und eine Milliarde Minus ergibt eigentlich Null, und genau das ist richtig.“ Wer wollte da widersprechen?
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