: Affenfeile Kid-Parade
■ "Banane": Vorgestern erste Folge der neuen Kinder-Hitparade im Nachmittagsprogramm der ARD
O Mutterherz, du heitschibumbeitschibumbum, als dich noch Heintje in griesgrauer Vorzeit besang — und Vater, ja, du mit den schwieligen Händen: hättet ihr damals euch träumen lassen, daß eure Enkel dereinst nicht mehr in glockenhellem Knödelton davon künden würden, wie selig es sei, ein Kind noch zu sein?
Heut ist es nicht mal mehr im Liedgut selig, ein Kind zu sein. Die Zeiten sind vorbei, in denen Kinder für die Alten auf sentimental journey gingen und sich für den Traumkitsch ihrer Eltern ans Musikgeschäft verkauften.
Das Kind von heute ist fernsehgeschulter Hitparaden-Realist und weiß genau, was Erwachsenwerden heißt: sich vom kleinen zum großen Arschloch zu entwickeln. Alles Banane? Dann also: die Zahnspange gebleckt, stimmlos ins Mikrofon gebissen, das Händchen rumgewedelt — und auf NenaHeckWormsLückNicole-komm-raus die Hitparade imitiert: mit neugeschriebenen Texten zu Hits wie „Itsibitsiteenieweenie“, „Guten Morgen, liebe Sorgen“ oder „Herzilein“.
Die kleine Isabell: „Erst sieben Jahre alt“, lobt der Moderator (“für meine Freunde Schnecko“), der selbst noch nicht dem Milchgesicht entwachsen ist. Und schon wiegt sich die Kleine, von all den Frätzchen das eitelste: die dicken Knubbelknie vom Tütüröckchen freigelegt, die Lippen zartrosa geschminkt, und hinter den Lippen warten Milchzahnlücken und frischgewachsene Schaufelzähne auf Luft von draußen.
Von drinnen kommt auch nur heiße Luft und affig einstudiertes Rolle-Rrrr. „Papi muß ins Bürrro, hat keine Zeit“ beklagt sie sich. Na, wenn Papi nicht ins Büro ginge, du kleines Balg, wer würde dir dann den Ballettunterricht bezahlen, in dem man dir deine Pirouetten beibringt?
Und wo hast du, Nicole (!), dir abgeguckt, daß man sich neckisch auf den Hintern patscht, wenn man singt: „Wer die Schule hat erfunden, wird am Marterpfahl gebunden“? Nein, Mitleid mit euch Papageien stellt sich nicht ein. Ihr wollt es ja genau so haben und findet euch „wahnsinnig fetzig“ als Spiegelaffen der großen Nichtskönner, die ihr vom Fernsehen kennt.
Mit farbigen Bananen wird dann der Sieger ausgewählt (es war natürlich Klein-Isabell), und einen bananenfressenden Affen aus Metall gibt Kindermoderator Schnecko als Trophäe aus — ein passendes Emblem für diese Affenschande, die insgesamt elfmal vom NDR verbrochen wird. Sybille Simon-Zülch
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