: Wiederauferstehung Ostpreußens?
■ Polnische Einkreisungsängste wegen Kaliningrad
Wilhelm Christians hat vor 45 Jahren in Wehrmachtsuniform an den schweren Kämpfen mit der anstürmenden Roten Armee um Ostpreußen teilgenommen, sogar verwundet wurde er dabei. Heute ist Christians Aufsichtsratsvorsitzender des mächtigsten westdeutschen Unternehmens, der Deutschen Bank, und möchte nun an der Spitze ihrer Finanzarmada erneut in den Kampf um Königsberg beziehungsweise Kaliningrad ziehen. Schon im Frühjahr 1988 hat er anläßlich eines Besuchs in Moskau seinen Gastgebern Mittel „für die Öffnung dieser Region für internationale Zusammenarbeit“ in Aussicht gestellt. Die Deutschen sind sich der politischen Empfindlichkeit dieser Initiative bewußt. Daher unterstreicht Christians auch mit Nachdruck, daß es sich auch wirklich um eine internationale Initiative handeln müsse und daß es „kein Projekt einer Germanisierung dieser Region, sondern nur einer Internationalisierung“ gebe. Eine internationale Zone wäre aber wahrscheinlich vor allem eine deutsche Zone, berücksichtigt man das Gewicht Deutschlands in Europa und die Ressentiments der aus dem ehemaligen Ostpreußen „Vertriebenen“. In der bundesdeutschen Presse erschienen gar Einfälle, aus der Region Kaliningrad eine neue „Heimat“ für sowjetische Deutsche zu machen. Vielen Polen erscheint das unweigerlich als eine Art erneuter Einführung der Kreuzritter. Die Rolle Konrad Mazowieckis spielt dabei heute Gorbatschow.
Wieder wollen uns die Deutschen einkreisen und wieder würde unser Pommern ein „polnischer Korridor“ werden. Trotz allem wiederholt sich die Geschichte nicht so einfach. Zudem wird das kraftstrotzende deutsche Wirtschaftspotential wohl keinerlei polnische Anstrengung aufhalten können. Es dürfte uns kaum gelingen, das Projekt zu verhindern, sind doch drei Staaten an seinem Gelingen interessiert sind: Deutschland, Rußland und Litauen. Der beste Ausweg für Polen ist da ganz einfach — sich von Anfang an aktiv einzuschalten, um unsere Interessen zu schützen und die höchstmöglichen Vorteile herauszuholen. Es geht darum, aus Königsberg/Kaliningrad noch ein polnisches Tor zur Welt zu machen. Marian Skwara
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