: Luftverpester sollen zahlen
Koalitionsarbeitsgruppe einig über neues Abfallgesetz, Kraftwerksabgabe und Kfz-Steuer nach Schadstoffausstoß/ SPD: „Telefonsondersteuer“ ist verfassungswidrig ■ Aus Bonn Gerd Nowakowski
Unternehmen sollen künftig bis auf den Müllplatz für ihre Produkte verantwortlich sein. Mit der Novellierung des Abfallgesetzes und einer Sonderabfallabgabe soll der Umstieg der Industrie auf umweltfreundlichere und wiederverwertbare Materialen gefördert werden, verständigte sich die Koalitionsarbeitsgruppe „Umwelt“. Als „einvernehmliche Grundlage“ für das heutige Treffen der großen Koalitionsrunde gilt bei den Umweltfachleuten aus FDP und CDU/CSU eine CO2- Abgabe für Kraftwerke. Damit soll vor allem der technische Fortschritt durch eine bessere Wärmedämmung und die Erhöhung der Wirkungsgrade unterstützt werden.
Einig ist sich die Koalitionsarbeitsgruppe auch über die — kostenneutrale — Umwandlung der bisherigen Kraftfahrzeugsteuer in eine Schadstoffsteuer. Geplant ist außerdem eine Entfernungspauschale und die Festlegung von „Flottenverbrauchswerten“ für die gesamte Produktpalette eines Automobilherstellers. Letzteres soll den durchschnittlichen Benzinverbrauch senken.
Für Privathaushalte soll die Kohlendioxidabgabe nicht gelten, weil eine verbrauchsorientierte Bemessung nur mit hohem Aufwand zu bewerkstelligen wäre. Eine Senkung des Schadstoffausstoßes soll dort durch eine Reihe von verschärften Verordnungen zur Wärmedämmung und zum Betrieb der privaten Verbrennungsanlagen erreicht werden. Die von der FDP bisher geforderte Klimaschutzsteuer auf europäischer Ebene sei damit nicht vom Tisch. Künftig soll zweigleisig verfahren werden, erläuterte ihr umweltpolitischer Sprecher Baum. In das zu schaffende europäische Gesetz soll die nationale CO2-Abgabe dann eingepaßt werden. In den nächsten vier Jahren will die Regierungskoalition endlich auch ein Naturschutzgesetz verabschieden. Das Vorhaben, das auf einen umweltfreundlicheren Ackerbau zielt, scheiterte einerseits am Widerstand der giftsprühenden Landwirtschaftsindustrie. Zum anderen kam keine Einigung über die Finanzierung der notwendigen Entschädigungszahlungen für eine naturgerechte Bewirtschaftung des Bodens mit zwangsläufig geringeren Erträgen zustande. Auch jetzt gibt es darüber keinen Konsens. Nicht mehr im Gespräch ist eine Bodenversiegelungsabgabe. Die FDP befürwortet die Bereitstellung von zusätzlichen Mitteln für die bestehende Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur“. Das wird von der CSU abgelehnt. Die SPD hat mit einer Verfassungsklage gegen die „Telefonsondersteuer“ gedroht. Das Verfassungsgericht habe 1984 eindeutig festgestellt, daß für die Postgebühren eine angemessene Gegenleistung erbracht werden müsse, erklärte der SPD-Politiker Paterna. Höhe Gebühren ohne Zusatzleistungen seien eine verfassungswidrige Sondersteuer. Auch die Gewerkschaften und die Sozialverbände VdK und Reichsbund haben gegen die geplante Verteuerung der Gebühreneinheiten protestiert. Die Bundesregierung täusche außerdem die Bevölkerung, wenn sie von Mehrbelastungen von lediglich vier Mark im Monat spreche. Die Mehrkosten für monatlich 200 Gespräche von acht Minuten Dauer betrügen vielmehr 50 Mark, haben die Verbände ausgerechnet. Während Unternehmen die Telefonkosten absetzen könnten, würden vor allem Schwerstbehinderte, Langzeitkranke und Geringverdienende von der Maßnahme betroffen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen