: Standbild: Millowitsch' Geburtstagsgeschenk
■ "Dienstvergehen", ARD, Mittwoch, 20.15
Der rüstige Zweiundachtziger Willy Millowitsch bekommt als Geburtstagsgeschenk die Rolle eines Kommissars, und wir dürfen zusehen, wie er's auspackt, wie er die Schleife löst, am Knoten puhlt, Papier entfernt, bis schließlich die Rolle, die man ihm „auf den Leib geschrieben“ hat, in ihrer geburtstagsfeierlichen Menschenfreundlichkeit zum Vorschein kommt. Das alles braucht Zeit, viel Zeit, und Millowitsch füllt diese Zeit sehr würdig aus. Er ist nicht der umtriebige, frohnatürliche Komödiant, der außerhalb Kölns nur schwer erträglich war — er ist ein melancholisch-leiser alter Mann, dem es gelingt, aus seinem Geburtsgeschenk keine narzißtisch- lärmende Rheindampferfahrt zu machen.
Doch von seinen Gästen — den Mit-Schauspielern — und seinem Festkomitee — dem Drehbuchautor und der Regisseurin — läßt sich nicht freundlich sprechen: Dieses Geburtstagsgeschenk war schlampig eingepackt, mit Holzwolle ausgestopft, in naiv gemustertes Papier gewickelt und mit Schlümpfen dekoriert — völlig unpassend für einen gestandenen, alten Mann. Und erst recht fürs Fernsehpublikum, das ja nicht, nur weil Geburtstagsfeier ist, mit einem derart dämlichen Krimi abgespeist werden will, in dem anderthalb Stunden lang chargierendes Gelichter gemütlich mit Bankraub, Entführung, Verrat und Mißverständnis beschäftigt ist.
Das alles nur, um Kommissar a.D. Klefisch die Gelegenheit zu geben, mit Lebensweisheit über das Böse in der Welt zu siegen und dem Guten eine Chance zu geben. Das Gute: Karin, die Gangsterbraut und — Dienstvergehen! — Geliebte des ermittelnden Kriminalbeamten. Der zweifelt an ihr, obwohl doch Millowitsch an sie glaubt. Und wir, die geladenen Gäste, verwahren uns dagegen, daß man uns für so doof hält, wie es der dickliche Beamte ist. Wir wissen ja schließlich, daß ein respektierlicher Jubilar nicht irren kann und sollen eine fernsehspiellange Zeit so tun, als wären wir gespannt, wie's ausgeht.
Zur Irreführung bietet man uns obendrein konfuse Unübersichtlichkeit und Schnittfolgen von vorsintflutlicher Optik: Kein Telefongespräch wird geführt, ohne daß jeder Apparat samt wählender und abhebender Hand zu sehen ist. Fernsehen in Blindenschrift, mit Klingelton auf Videotexttafel 150. Soll so das Geburtstagsgeschenk für einen Zweiundachtzigjährigen aussehen? Mit Kindern und alten Leuten weiß das Fernsehen nicht viel anzufangen. Sybille Simon-Zülch
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