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"Den Kopf nicht in den Bremr Sand stecken"

■ Rudolf Hickel, Bremer Professor für Staatsökonomie udn ehemaliger Gutachter für Finanzsenator Grobecker, plädiert für eine enge Kooperation Bremens mit den Ländern Niedersachsens und Sachsen-An..

Das Land Bremen droht noch in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts seine finanzpolitische Handlungsfähigkeit zu verlieren. Allerdings, der finanzpolitische Handlungsverlust durch den Schuldenberg von über 15 Mrd. Mark ist zum Großteil nicht „hausgemacht“. Deshalb ist hier auch kein „Münchhauseneffekt“ zu erwarten. Aufgabenkritik und strenge Ausgabenkontrolle sind zwar unbestreitbare Elemente solider Finanzpolitik. Jedoch, die Sparkommissare, die durch rigorose Auf- und damit Ausgabenkürzungen die haushaltspolitische Lage wieder beherrschen wollen, irren sich gründlich. Sie haben immer noch nicht begriffen, daß die Ursache der Dilemmaentwicklung aus der „Andersartigkeit“ der Stadtstaaten — so die Charakterisierung durch das Bundesverfassungsgericht — gegenüber den Flächenländern erklärt werden muß.

Wenn Stadtstaaten als „Kinder des Bundesstaats“ gewollt werden, dann müssen alle Länder und der Bund dafür einstehen. Dabei gilt der Grundsatz: Die Finanzausstattung der Stadtstaaten als Hauptstädte ohne Flächenland ist derjenigen vergleichbarer Großstädte anzugleichen. Hätte Bremen die Finanzausstattung (samt den Landesleistungen) der Stadt Stuttgart, dann gäbe es keine Diskussion um die fiskalische Zukunft Bremens.

Auf der Stadtstaatengarantie bestehen

Dem zweiten Prozeß vor dem Bundesverfassungsgericht kommt damit große Bedeutung zu. Ab 1995 müssen die Grundlagen des Finanzausgleichs und damit der Stadtstaaten festgezurrt sein. Denn nach der Absicht des Einigungsvertrags sind dann auch die FNL (die fünf neuen Bundesländer) dabei. Das Land Bremen muß allein wegen der derzeitigen verfassungsrechtlichen Lage auf der finanziellen Stadtstaatengarantie bestehen. Allerdings, die politische Durchsetzung einer alles entscheidenden Erhöhung der Einwohnerwertung ist auch nach dem erneuten Spruch aus Karlsruhe zweifelhaft. Aber nur die nachhaltige Höherwertung der im Land Bremen Wohnenden kann die Finanzausstattung des Stadtstaats auf vergleichbare Großstädte in den Flächenländern hochhieven.

Die entscheidenden Fragen aber lauten: Sind die anderen Bundesländer auch politisch davon überzeugt und damit bereit, mehr für die Finanzierung der Stadtstaaten aufzubringen? Anders gefragt: Kann eine BürgerIn in Konstanz, Kiel, Rostock oder Görlitz von der Attraktivität des Stadtstaats Bremen und damit auch der Zahlungsbereitschaft über den jeweiligen Landeshaushalt überzeugt werden?

Vorschlag:

Nordwest-Gemeinschaft (NWG)

Jenseits der Ordnung des Finanzausgleichs bei gegebenen Bundesländergrenzen schiebt sich die Frage nach einer Neuordnung der Bundesländer in den Vordergrund. Die EG-Integration wird dafür genannt. Aber auch die Gefahr einer Zentralisierung wegen der „Erpreßbarkeit“ finanzschwacher Länder durch den Bund zu Lasten der Souveränität großer Länder spielt eine Rolle. Über neue Formen des Föderalismus, die letztlich auch zur Stärkung der Stadtstaaten führen können, muß nachgedacht werden. Denkmodelle statt lokalpatriotische Denkverbote sind zu entwickeln. Diese Aufgabe kann derzeit nun wirklich nicht vom Bremer Senat erfüllt werden. Er würde damit nur seine Verhandlungsposition in Bonn und Karlsruhe schwächen.

Die Diskussion ist, ob man will oder nicht, jedenfalls in vollem Gange. Nordrhein-Westfalen strebt ein Modell des „kooperativen Föderalismus“ an. Für Hamburg und Schleswig-Holstein wird eine länderübergreifende Zusammenarbeit eplant. Über Pläne zur Neugliederung der Bundesländer wird auch an anderer Stelle laut nachgedacht. Wer vor dieser Entwicklung den Kopf in den Bremer Sand steckt, gerät in die Gefahr, ungewollt die Rolle des Totengräbers für diesen Stadtstaat zu übernehmen.

Voraussetzung aller Szenarien zur Zukunft des Landes Bremen ist eine Halbierung des Schuldenstands. Sie ist gerechtfertigt, weil der Schuldenberg Folge einer Fehlkonstruktion des Finanzausgleichs seit Anfang der 70er Jahre zu Lasten der Stadtstaaten ist. Finanztechnisch ist die Übernahme von ca. 7,5 Mrd. Mark durch den Bund sowie finanzstarke Länder kein Problem. Im Ausmaß dieser Umschuldung hätten diese dann allerdings jährlich die entsprechenden Zinsausgaben aufzubringen.

Gegenüber dem schwer durchsetzbaren Selbständigkeitsszenarium für den Stadtstaat gerät die Bildung eines Nordstaats bzw. Nordweststaats mit Bremen, Bremerhaven, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt in die Diskussion. Dem Nordweststaat stünde nach diesem Modell ein Nordoststaat mit Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg- Vorpommern gegenüber.

Ein großer Nordstaat wird hier ausgeschlossen. Dieses Szenarium Nordweststaat würde die vollkommene Auflösung der Selbständigkeit des Landes Bremen bedeuten. Alle Landesfunktionen, aber auch Landeseinrichtungen (Landeszentralbank, Verbände, Kammern) gingen verloren. Abgesehen davon, daß eine derartige Länderneugliederung wegen der verfassungsrechtlich hohen Barrieren nicht durchsetzbar ist, muß diese wegen des totalen Verlustes der Selbständigkeit des Stadtstaats zurückgewiesen werden.

Vorstellbar wäre jedoch die Bildung einer der EG vergleichbaren Nordwest-Gemeinschaft (NWG). Bremen würde einen Teil der bisherigen Landesfunktionen an die Gemeinschaftsorgane, an denen es jedoch beteiligt ist, abgeben. Beispielsweise könnte auf die „Außenpolitik“ und damit die Beiteiligung am Bundesrat zugunsten der Nordwest-Gemeinschaft verzichtet werden. Dies würde auch bei der geplanten Gründung eines EG-Regionalrats gelten. Allerdings, das agile Bremer Informationsbüro in Brüssel wäre wegen seiner erfolgreichen direkten Arbeit für Bremen und Bremerhaven zu erhalten. Die regionale Wirtschafts- und Verkehrspolitik sowie die Umlandprobleme könnten besser koordiniert werden.

Entscheidend für dieses Modell ist, daß sich das Land auf wesentliche Funktionen konzentriert, die im Nordweststaat völlig verloren gingen. Solche Funktionen sind: die Häfen und Hafenwirtschaft, die Hochschul- und Forschungslandschaft sowie eine ökologieorientierte Wirtschaftspolitik. Im Ausmaß der Reduzierung von Landesfunktionen verkleinerte sich dann auch der Aufgabenbereich der Bürgerschaft. Sie könnte — vergleichbar Hamburg — in ein „Feierabend“-Parlament umstrukturiert werden.

Was der Stadtstaat jetzt braucht, ist eine offene Diskussion über seine zukünftige Verfassung und deren Finanzierung. Der Einsatz für die bisherige volle Selbständigkeit ebenso wie für die konzentrierte Souveränität wird nur erfolgreich sein, wenn eine innovative Attraktivität dieses Stadtstaats sichtbar und für die anderen Bundesländer vermittelbar wird.

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