: Rotstift an die Hochschulen angesetzt
■ Präsident der Hochschule der Künste protestiert gegen Etatkürzungen/ Lehrbetrieb und Ausbildungsniveau der HdK seien gefährdet/ Ohne Finanzzusagen aus Bonn Einsparungen von über 200 Millionen Mark im Wissenschaftsbereich geplant
Charlottenburg. Die vom Senat angekündigten Haushaltskürzungen wurden — zumindest im Hochschulbereich — schneller spürbar als erwartet. Ein Blick auf die Kontoauszüge der Hochschule der Künste (HdK) im Januar veranlaßte deren Päsidenten Ulrich Roloff-Momin, Protest anzumelden. Der Grund: ein Defizit von 800.000 Mark. »Wenn die beabsichtigten Kürzungen tatsächlich durchgeführt werden sollten, dann müßten wir zum Wintersemester Konkurs anmelden«, kündigte Roloff-Momin gestern an.
Nach den Vorstellungen der Finanzverwaltung soll die HdK 11,5 Prozent ihres Etats einsparen. Das sind etwa 12 Millionen Mark des insgesamt 107 Millionen Mark hohen Haushaltes der Kunsthochschule. Damit würde die HdK auf den Finanzierungstand von 1988 sinken. Gleichzeitig würden Verbesserungen der letzten Jahre wie das Stopfen der Haushaltslöcher der Hochschulen oder das 63-Millionen-Programm des rot-grünen Senats von 1989 zunichte gemacht.
Der geplante »Aderlaß« bedeutet für die HdK, so Roloff-Momin, daß der Lehrbetrieb nicht aufrechterhalten werden könnte. Weil 78 Prozent des Hochschulhaushaltes aus Personalmitteln bestehen, hätte die Kürzung unzumutbare Engpässe zur Folge. Weder Vertretungsgastprofessuren noch Neueinstellungen oder Wiederbesetzungen wären dann möglich. Auf die künstlerische Ausbildung hätte dies verheerende Auswirkungen, so der HdK-Präsident. An seiner Hochschule könne man nicht einfach Stellen weglassen oder die Seminargruppen vergrößern, wie dies an Universitäten, wenn auch nur unter qualitativen Verlusten, möglich ist. Da viele Fächer nur im Einzelunterricht gelehrt werden, wäre die Konsequenz, daß zu Beginn des Wintersemesters bestimmte Lehrveranstaltungen nicht mehr angeboten werden können. Auch im Sachmittelbereich wirkten sich Sparmaßnahmen auf die Qualität der Ausbildung aus. Jede fünfte Mark der insgesamt 13,6 Millionen zu sparen hieße: weniger Stoffe, weniger Farben, weniger Lehrmaterial. Ein Absinken des bisherigen Niveaus, spitzt Präsident Roloff-Momin es zu, wäre so einschneidend, daß ein neues niedriger liege als in der ehemaligen DDR und so »jede Arbeit sinnlos wird«.
Dieses von Momin als »Killerpolitik« bezeichnete Vorgehen ließe solche Institutionen wie die HdK zwar dem Namen nach bestehen, entziehe ihnen aber die Grundlage für ein sinnvolles Arbeiten und Studieren. Die Hochschule wolle sich angesichts der Finanzsituation der Stadt nicht an die »Klagemauer stellen und in den Chor der Betroffenen einstimmen«. Aber die Einsparungsmöglichkeiten seien begrenzt. Roloff- Momin ist bereit, über jede notwendige Einsparung zu reden.
In der Finanzverwaltung war zu erfahren, daß es sich bei den Kürzungen um eine vorbeugende Maßnahme handelt, falls Berlin kein Geld mehr vom Bund erhalte. In allen Senatsverwaltungen müssen 11,5 Prozent des Etats gespart werden — im Hause der Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller wären das 209 Millionen Mark. Davon sollen allein die Kuratorialhochschulen, FU, TU und HdK, als sogenannte Zuwendungsträger 150 Millionen Mark aufbringen. In einem Rundbrief hätte alle Hochschulen die Nachricht erreicht, daß gewisse Beträge ab Januar gesperrt seien, weil mit Beginn dieses Jahres auch die laufenden Kosten für Ost-Berlin vom Senat mitgetragen werden müssen, bestätigte Staatssekretär Hans Kremendahl aus der Wissenschaftsverwaltung. Es handele sich um eine Vorsorgemaßnahme, um die Liquidität Ost-Berlins zu sichern. Aber, so der Staatssekretär, die Gehälter an der HdK seien sichergestellt. Solange der Nachtragshaushalt Berlins nicht steht und keine Zusage aus Bonn über künftige Finanzspritzen kommt, bleibt also der Rotstift angesetzt. anbau
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen