: Kassen zahlen Methadon
■ Berliner Krankenkassen einigten sich auf einheitliche Linie zur Methadonvergabe/ Bezahlt werden künftig auch Diagnostik und Therapie
Berlin. Bei der Vergabe von Methadon dürfen sich Berliner ÄrztInnen künftig auf sicherem Boden bewegen. Grund: Laut einem gemeinsam von der AOK und den Ersatzkassen gefällten Beschluß, der sich weitestgehend mit den Vorstellungen der Berliner Ärztekammer deckt, wollen die Versicherungsträger Methadontherapien in Zukunft grundsätzlich bezahlen. Voraussetzung: Die Ethikkommission der Ärztekammer muß nach Einzelfallprüfung der Vergabe zustimmen.
Damit haben sich die Kassen nach Schleswig-Holstein und Hamburg auch in Berlin auf eine gemeinsame Linie verständigt. Dem Entwurf müssen nun neben der Ärztekammer noch die Kassenärztliche Vereinigung und die beiden Senatsverwaltungen für Frauen, Jugend, Familie sowie für Gesundheit und Soziales zustimmen. Bernd Grieger, stellvertretender Geschäftsführer der AOK, fürchtet von deren Seite jedoch keinerlei Schwierigkeiten mehr. Der Beschluß werde zum schnellstmöglichen Zeitpunkt in Kraft treten. Dann übernehmen die Kassen nicht nur die Kosten für das Methadon, sondern auch für die mit der Behandlung verbundene Diagnostik und Therapie. Einzig die psychosoziale Betreuung müsse vom Landeshaushalt gedeckt werden, wofür Berlin im Haushalt 1990 bereits 500.000 Mark bereitgestellt hatte.
Bislang wurden Behandlungen mit dem Ersatzopiat von den Krankenkassen nur dann anstandslos bezahlt, wenn der betroffene Patient bereits an Aids erkrankt war. Die als fortschrittlich-links bekannte Berliner Ärztekammer plädierte jedoch dafür, Methadon (Handelsname: Polamidon) auch nach langjähriger Drogenabhängigkeit und mehrmaligen erfolglosen Entzugsversuchen einzusetzen, wenn gleichzeitig eine psychosoziale Begleitung des Abhängigen gewährleistet ist.
Entsprechend wertete Constanze Jacobowski, Mitglied der Clearingstelle in der Berliner Ärztekammer, den Beschluß der Krankenkassen als »großen Erfolg«. Natürlich müsse die Ethikkommission nach wie vor eine genau begründete, detaillierte Indikation vorlegen, die abschließende Entscheidung über die Vergabe sei aber nicht mehr von der »beliebigen« Haltung der Kassen abhängig. Grieger betonte, daß der beschlossene Entwurf keine generelle Freigabe von Methadon bedeute.
In jedem Fall sind die Regreßforderungen der Kassen vom Tisch, von denen bislang dreiviertel der rund 80 methadonverschreibenden ÄrztInnen bedroht waren: Laut Grieger werden die einzelnen Fälle geprüft und überall dort, wo die Ethikkomission im nachhinein der Behandlung zustimme, von Forderungen abgesehen. Nur bei wenigen sei voraussichtlich keine medizinische Indikation gegeben. maz
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