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Einfallsloser Bürokrat

■ Die Regierung Biedenkopf hat sich hochschulpolitisch in die Sackgasse manövriert KOMMENTARE

Daß Kurt Biedenkopf 1967/69 als Rektor der Ruhr-Universität ein erfolgreicher Hochschulreformer war, mag unbestritten bleiben. Als Erneuerer der sächsischen Hochschulen droht er zu scheitern: Seine Wissenschaftspolitik trudelt, kaum daß sie begann. Die Rahmenbedingungen hat sich der neue Ministerpräsident nicht ausgesucht. Sie sind durch den Einigungsvertrag, die Finanzen und durch die Ständige Konferenz der Kultusminister vorgegeben. Aber Biedenkopf versagt als Demokrat und Reformer eben dort, wo es um die konkrete Umsetzung seiner politischen Ziele geht. Um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, müßte er von den zentralen Vorgaben der Kultusministerkonferenz abweichen und auf die Kulturhoheit des Landes pochen. Das pauschale Abwicklungsverfahren schert die Aktivisten der SED-Herrschaft und die Opfer über einen Kamm, wirft die brillanten, die mittelmäßigen oder einfach überforderten WissenschaftlerInnen in einen Topf. Dieses Verfahren schont die Beteiligten in der einen Fakultät pauschal und straft sie in der anderen ebenso pauschal ab. Statt dessen müßte Biedenkopf den sächsischen Hochschulen einen wirklich gangbaren Weg der Erneuerung eröffnen. Dabei müßten die Neukonzeption der Universitäten und die Überprüfung der alten Inhalte und ihrer Repräsentanten Hand in Hand gehen. Wohlgemerkt: Es kann nicht darum gehen, Zeit zu schinden. Aber Prozesse brauchen eine gewisse Zeit und sollten zugleich durch faire zeitliche Begrenzungen beschleunigt werden. Es geht auch nicht darum, niemanden oder nur sehr wenige der Hochschulangehörigen zu entlassen, aber die Verfahren müssen individuell genau und die Kriterien nachprüfbar sein. Das ist nicht allein aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit notwendig, es geht dabei für diejenigen, die diesen Verfahren ausgesetzt werden, um einen Rest an Ehre — um Menschenwürde.

Das pauschale Abwicklungsverfahren ist für die tatsächliche Erneuerung der Universitäten kontraproduktiv. Kurt Biedenkopf wird das wissen, aber er findet nicht den Mut zur Wahrheit. Er spricht von „Erneuerung“, wo es um nichts weiter geht als um juristische Tricks — um die Beugung geltenden Rechts. Er mißbraucht das Wort Hochschulerneuerungsgesetz für ein Gesetz, das nur darauf zielt, das Hochschulreformgesetz der letzten und frei gewählten DDR-Regierung zu liquidieren und die entsprechenden Bestimmungen im Einigungsvertrag auszuhöhlen.

Im vergangenen Sommersemester machte Kurt Biedenkopf mit einer Gastprofessur in Leipzig Furore. Nun, da er nach vielen gescheiterten Anläufen zum ersten Mal wirklich über exekutive und mit satter Mehrheit ausgestattete Macht verfügt, agiert er — jedenfalls hochschulpolitisch — als einfallsloser Bürokrat, als zeitweise widerspenstiger, aber letztlich doch gelehriger Schüler des früheren Helmut Kohl. Die Kunst des Aussitzens, der selbstgefälligen Rechthaberei, scheint sich neuerdings in Dresden zu beheimaten. Götz Aly

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