Schwere Ausschreitungen in Athen

■ Hunderttausende demonstrieren in griechischen Städten/ Vier Menschen bei einem Brand ums Leben gekommen/ Massive Vorwürfe gegen die Polizei/ Schulstreik und Besetzungen dauern an

Athen (afp/taz) — Bei den schweren Ausschreitungen zwischen Schülern und Spezialeinheiten der Polizei im Anschluß an eine Trauerdemonstration sind am Donnerstag abend in Athen vier Menschen bei einem Brand ums Leben gekommen. Offiziellen Berichten zufolge entstand der Brand durch Molotow-Cocktails, die autonome Gruppen geworfen haben sollen. Allerdings gibt es Zeugen dafür, daß veraltete Tränengaskartuschen der Polizei den Brand ausgelöst haben. Die Staatsanwaltschaft verwies jedoch die Zeugen an die Polizei. Feuerwehrmänner sagten aus, sie seien von Polizeikräften beim Löschen behindert und selbst mit Tränengas beschossen worden.

Etwa 100.000 Schüler, Studenten sowie Lehrer lieferten sich am Donnerstag bis in die Nacht hinein in der Innenstadt Athens regelrechte Straßenschlachten mit der Polizei, die Tränengas und Schlagstöcke einsetzte. Mehr als 130 Personen wurden dabei verletzt. Augenzeugen sprachen von bürgerkriegsähnlichen Zuständen.

Von Regierungsseite hieß es, eine Gruppe Autonomer hätte den bis zum frühen Abend friedlich verlaufenen Schülerprotest ausgenutzt und Zusammenstöße mit der Polizei provoziert. Teilnehmer der Trauerdemonstration bezweifelten jedoch eine Autonomen-Urheberschaft und bestätigten, mit Schlagstöcken bewaffnete Gruppen der Jugendorganisation der Regierungspartei „Nea Demokratia“, „Onned“, gesehen zu haben. Für Freitag haben Schüler und Studenten zu weiteren Kundgebungen aufgerufen.

Anlaß der Protestaktionen war der Tod eines Lehrers in Patras, der von Mitgliedern der Onned erschlagen worden war. Die Angreifer hatten — mit Eisenstangen bewaffnet — versucht, die Besetzung eines Schulgebäudes durch Oberschüler und Lehrer gewaltsam zu beenden.

Die etwa 1.000 seit Wochen besetzten Schulen und zahlreiche Fachbereiche der Universitäten in Athen und Thessaloniki werden weiterhin bestreikt. Die Schüler wollen damit ihrer Forderung nach mehr staatlicher Unterstützung für das Bildungswesen Nachdruck verleihen. Vor allem protestieren sie gegen die geplante Schul„reform“, die die Einführung eines für die Versetzung maßgeblichen Punktesystems für außerschulisches Betragen vorsieht.

Erziehungsminister Kondoyannopoulos war am Mittwoch zurückgetreten. Sein Nachfolger, Souflias, erklärte am Donnerstag, die konservative Regierung ziehe die umstrittenen Vorschläge zur Schulreform zurück. Regierungschef Mitsotakis warf der Opposition vor, „sich mit engstirnigen Fragen der Innenpolitik“ zu beschäftigen, während „die Welt auf einen Krieg zusteuert“ und reiste wie geplant gestern nach Bulgarien, um, wie er sagte, nicht den Eindruck zu erwecken, das Land befände sich in einer Krise. ala/bel