: Vom Ökopullover zum Markentrikot
■ Die Volleyballerinnen des CJD Berlin verloren in der ersten Pokalrunde gegen den großen Favoriten Bayern Lohhof 1:3/ Die Entwicklung zum athletischen Frauenvolleyball ließ vom einstigen Angebot für alternative Sportfans wenig übrig
Charlottenburg. Volleyball verkörperte wie keine andere Sportart den sich wandelnden Zeitgeist der 70er Jahre. Als soft und demokratisch wurde das Spiel nach seiner „Entdeckung“ bei den Olympischen Spielen von München 1972 beschrieben. Soft wie die damals aufkommende Idee der naturverträglichen „kleinen Einheiten“ in Gesellschaft und Ökologie, da das trennende Volleyballnetz keine gesundheitsgefährdenden Zweikämpfe zuließ. Und demokratisch, weil beim Geplänkel mit dem Ball ein intakter Teamgeist weit mehr zählte als jeder Egotrip eines wild um sich schmetternden Mega- Hypes. Letztlich war es von den stets wechselnden Spielpositionen innerhalb einer Mannschaft bis zum Rotationsprinzip der
Grünen im Parlament nur ein Katzensprung.
Wen wundert es noch, daß es bei Volleyballveranstaltungen zu jener Zeit zuging wie auf einer Wahlparty der Alternativen: Selbst der älteste Hippie-Flippi mit dem verfilzten Ökopullover über dem Schmerbauch bemühte sich um eine korrekte Ballannahme. Der Beifall der GymnasiastInnen und NachwuchsakademikerInnen, den eigentlichen Trägern des Volleyballbooms, war ihm gewiß. Hauptsache, man kam nicht ins Schwitzen und mußte keine einheitliche Kluft namens Trikot überziehen. Die „Groovy“-Gesellschaft hatte ihr Steckenpferd gesattelt!
Vom damaligen Feeling ist wenig geblieben. Die Zahlen im Volleyball stagnieren — trotz des neuerschlossenen DDR-Reservoirs. Bilder von geschundenen Frauen, die von ihren Trainern stundenlang über das Spielfeld gescheucht werden, haben das Image des Volleyballs als schweißloses Strandvergnügen längst revidiert. Wer den Befehlen des Lehrherren nicht gehorcht, wie unlängst die Frauen des Bundesligisten 1. VC Schwerte, dessen Intelligenzquotient wird unweigerlich in Zweifel gezogen.
In der ersten Hauptrunde des deutschen Volleyball-Pokals der Frauen trafen allerdings zwei Spielwelten aufeinander. Mit recht unorthodoxen Mitteln versuchte der CJD Berlin sein Heil gegen den vielfachen Meister Bayern Lohhof. In Beach-Girl- Manier lobbten, schmetterten und drehten die Berlinerinnen den Ball immer wieder um den mit stupider Routine geformten Block der Lohhoferinnen. Sensationell mit 15:12 entschied der CJD den ersten Satz für sich.
Bayerns Neunationaltrainer Siegfried Köhler rieb sich zuerst verwundert die Augen und dann die Glatze, denn auch im zweiten Satz geriet sein mit vier Nationalspielerinnen angetretener Kader schnell in Rückstand. Dann jedoch kam Sand ins Berliner Getriebe. Die zuvor so unbekümmert aufschmetternden CJD-Arme wurden schwer, die Angst vor der eigenen Courage vertrieb die sorglosen Schlagkombinationen. Auf 2:1 nach Sätzen (jeweils 8:15) zog Favorit Lohhof davon.
Unerwartet für Zuschauer und Gegnerinnen erinnerten sich Berlins Vertreterinnen im vierten Satz ihrer eigentlichen Stärke: In der Manier des Ohnsorg-Theaters überlisteten vor allem Elzbieta Goralskai und Judith Kern immer wieder den lila Bayernblock. Und wenn Nancy Celis und Katja Krieger ihre Lohhofer Farben noch so hoch übers Netz reckten, dann punkteten die Berlinerinnen eben durch simple Heber über die Hochspringerinnen. 12:8 führte der CJD, dann sanken Kraft und Mut. Letzlich zog Bayern Lohhof mit 15:12 in die nächste Pokalrunde ein. Doch ob die Favoritinnen wußten, was die Rudowerinnen streckenweise mit ihnen gespielt haben, darf bezweifelt werden: Volleyball in Urform. Jürgen Schulz
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