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Moskauer Fußballzirkus beim Kasperletheater

■ Werder Bremen gewann durch einen 5:4-Endspielsieg gegen den Hamburger SV das Fußball-Hallenturnier in der Deutschlandhalle/ Spartak Moskau, das beste aller Teams, scheiterte im Halbfinale gegen den HSV im Neunmeterschießen

Charlottenburg. Tri-tra-trullalla, der Fußball, der ist wieder da. Fast schon zur Gewohnheit ist es geworden, das Berliner Fußballjahr mit einem in aller Freundschaft ausgetragenen Turnier zu eröffnen. Und wie üblich verkrochen sich die teilnehmenden Mannschaften trotz des milden Wetters dabei unter das Dach der Deutschlandhalle, um ihr gut bezahltes Wintertraining einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Das ganze hieß »Internationales Hallenturnier«, welches seinen Namen durch die Teilnahme des amtierenden sowjetischen Meisters Spartak Moskau rechtfertigte. Noch mit dabei auf dem Kunstrasen waren der Bundesliga-Erste Werder Bremen, dessen Gegenstück Hertha BSC, der HSV, Borussia Dortmund sowie als Zugnummer für zusätzliche ZuschauerInnen Oberligist BFC Türkiyemspor. Über Sinn und Unsinn, Lust oder Laune solcher Turniere zu streiten ist müßig. Sie bleiben vorerst ein Kasperletheater, mit dem die Vereine die Winterpause finanziell überbrücken wollen. Was zu diesen Zwecken in Berlin geboten wurde, war oft langweilig, aber auch interessant für bestimmte Erkenntnisse. Zum Beispiel die Spielstärke der Teams betreffend. Daß der BFC Türkiyemspor als Amateurverein gegen die Profis etwas schlechter aussehen würde, war abzusehen. Die Spieler um den flinken, aber etwas beinfaulen Akar gaben sich alle Mühe, ärgerten sich über jeden Gegentreffer, ließen aber wegen der permanenten Packungen wie dem 1:8 gegen Dortmund etwas rasch die Köpfe hängen. Ihre Fans dagegen waren die besten. Mit Wunderkerzen, Paukenrhythmen und gut einstudierten Gesängen sorgten sie für Stimmung und übertönten die dummbeuteligen Sprüche der Hertha-Frösche auf der gegenüberliegenden Seite der Tribüne.

Ach ja, Hertha. Die Guteste knüpfte zwanglos an die Leistungen der Bundesliga an. Da Spieler wie Patzke, Rahn und Kruse immer noch verletzt sind, setzte es fast nur Niederlagen, mit 3:9 gegen Bremen auch die deftigste des Turniers. Erst am Schlußtag im Spiel um den letzten Platz, gelang der erste Erfolg, ein 5:1 gegen Türkiyemspor. Trainer Pal Csernai war trotzdem »nicht enttäuscht, denn wir wußten, in welchem Zustand wir uns befinden«. Nun, hätten die Fans dies nur auch gewußt... Hauptsächlich wollten die Herthaner das Turnier für ein wenig Spielpraxis nutzen, welche sie auch, wie sich zeigte, bitter nötig haben.

Es gab aber auch sehr angenehme Unterhaltung in der Deutschlandhalle. Zum Beispiel den besten Torwart. Dieses Prädikat verdiente sich Bremens Mittelfeldspieler Mirko Votava, der mit grauem Pullover verkleidet, das Bremer Powerplay an- und sich selbst meist an der Mittellinie herumtrieb. Dabei nicht nur exzellent in der Ballbehandlung, sondern auch im Strafraum sehr fangsicher.

Den Preis für die bestfrisierte Mannschaft erhielten die Spartakisten aus Moskau. Vorbei die Zeiten des gestrengen Kommiß-Rundschnittes, mit ihren ungebändigt wuchernden, im Lauf flatternden Mähnen stürmten sie den Torerfolgen entgegen und verwiesen die perfekt coiffierte Lockenpracht einiger Türkiyemspor-Spieler auf Platz zwei.

Bester Spieler des Turniers sollte eigentlich Thomas Doll vom HSV werden, eingedenk seines famosen Auftrittes vor einem Jahr in der Werner-Seelenbinder-Halle, damals noch in Diensten des FC Berlin. Nur war der Arme verletzt und muffelte an der Bande herum. Ebenso konnte diesmal kein Preis an die herausragendste Würstchenbude der Deutschlandhalle vergeben werden.

Die beste Mannschaft stellte zweifellos das Team aus Moskau. Vielleicht hatten sie einige Trainingsstunden bei Viktor Tichonow genommen, ihre Spielweise erinnerte jedenfalls schwer an die hohe Kunst des sowjetischen Eishockeys. Unglaublich sicheres, schnelles Kombinieren, exzellente Technik jedes Spielers, verbunden mit viel Witz und Kreativität. Es wurde alles angewandt, was die gegnerischen Teams furchtbar alt aussehen ließ: Billardvorlagen über die Bande, doppelte Doppelpässe, die berühmte Hacke, der gewisse Dreh mit der Fußspitze und den besten Torschützen des Turniers hatte Spartak ebenfalls in seinen Reihen: Igor Schalimow mit wehenden Haaren und elf Treffern.

Nur schade, daß die Moskauer ausgerechnet im Halbfinale mit ihren Vorzügen mehr knauserten, als ihnen zuträglich war. Gegen den bis dahin wenig überzeugenden HSV beließen sie es bei einem 2:2 und offenbarten dann, daß sie eines nicht geübt hatten: das Neunmeterschießen. So kam es, daß die Hamburger plötzlich im Endspiel standen und dort um 20.000 Mark Siegesprämie stritten, gegen Bremen, den Hallenspezialisten, der das Powerplay in der gegnerischen Hälfte perfekt beherrscht und den Ball laufen läßt, bis der Stürmer vor dem Tor freisteht, was allerdings manchmal etwas langatmig wirkt.

Die Hamburger spielten ihre gewohnte, unschöne Defensivtaktik, wurden dafür aber bald bitter bestraft. Bremen ging mit 5:0 in Führung, wurde dann jedoch etwas leichtfertig. Die Vorstöße des eingewechselten Torwarts Nils Bahr, der zwei Tore schoß und eines vorbereitete, ließen den HSV noch einmal Hoffnung schöpfen, doch mehr als vier Treffer wollten nicht herausspringen, so daß Werder-Manager Willi Lemke zufrieden resümieren konnte: „Es war ein runde, gute Veranstaltung.“ Schmiernik

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