: Streit über kurdische Flüchtlinge
■ Hannovers rot-grüne Koalition uneins/ Grüne wollen Abschiebungen verhindern
Hannover (taz) — Über die Abschiebung kurdischer Flüchtlinge bahnt sich ein Streit innerhalb der rot-grünen Koalition in Niedersachsen an. Während das niedersächsische Innenministerium kurz vor Weihnachten einen bis dahin geltenden Abschiebestopp für Flüchtlinge aus Kurdistan aufgehoben hat, erklärte der grüne Landtagsabgeordnete Hannes Kempmann gestern, daß die Grünen „Abschiebungen in die Kriegsregion Kurdistans niemals zustimmen“ würden. Dem Innenausschuß des Landtages, so sagte Kempmann, lägen noch aus dem vergangenen Jahr über achtzig Petitionen vor, in denen von Abschiebung bedrohte Kurden um weiteres Aufenthaltsrecht nachsuchten. Angesichts der gegenwärtigen Situation in Kurdistan sei es für die Grünen unzumutbar, diese Petionen abzulehnen, wie die SPD dies vorhabe. Die Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Grünen verbiete allerdings getrennte Abstimmungen auch für die Landtagsausschüsse.
Schon in den rot-grünen Koalitionsverhandlungen waren kurdische Flüchtlinge von der niedersächsischen „Bleiberechtsregelung“ ausgeschlossen worden, mit der die Landesregierung Flüchtlingen aus anderen Krisenregionen die Möglichkeit eines dauernden Aufenthaltsrechts eröffnete. „In diesem Punkt hat sich im Sommer in den Verhandlungen die SPD durchgesetzt“, sagte der grüne Abgeordnete Kempmann gestern. Allerdings habe sich im vergangenen halben Jahr die Situation in Kurdistan noch einmal dramatisch verschlimmert. Die türkische Regierung habe inzwischen für dieses Gebiet die Bestimmungen der Menschenrechtskonvention offiziell außer Kraft gesetzt, und die Golfkrise nutze sie zu umfangreichen Vertreibungsaktionen im kurdischen Grenzgebiet. Von der niedersächsischen SPD verlangte Kempmann, auf eine Entscheidung über die dem Landtag vorliegenden Petitionen von Kurden zumindest so lange zu verzichten, bis sich der Innenausschuß des Landtages durch seine seit langem geplante Reise nach Kurdistan selbst ein Bild von der dortigen Situation gemacht habe. Der grüne Abgeordnete verwies außerdem darauf, daß der Landtag durch das nunmehr geltende neue Ausländerrecht bei künftig eingehenden Petitionen kaum noch Möglichkeiten habe, Abschiebungen zu verhindern.
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