: “Fallt den Kriegstreibern in den Arm“
■ Gespräch mit Oppositionellen von der Vereinigung Irakischer Studenten
taz: Heute hat Saddam Hussein alle Araber zum Heiligen Krieg aufgerufen. Wie wirkt das auf Sie?
X., der wegen seiner im Irak lebenden Familie ungenannt bleiben will: Zunächst einmal muß man etwas zu diesem Begriff „Heiliger Krieg“ sagen: Saddam Hussein hat nicht zum Heiligen Krieg aufgerufen, sondern in etwa „dieser Krieg ist heilig für uns“, was die Presse hier umdrehte, aber im arabischen völlig unterschiedliche Bedeutungen hat. Das zu klären ist deswegen wichtig, damit man keine Verbindung zum Begriff „Heiliger Krieg“ herstellt, denn der ist religiös eindeutig belegt.
Zweitens: Saddam Hussein hat mit dem Islam absolut nichts zu tun. Denn er hat praktisch als erster die Islamische Bewegung im Irak auf das brachialste verfolgt und ausgeschaltet.
Drittens: Saddam Hussein spricht nicht das, was das Irakische Volk haben will. Nur weil momentan die Amerikaner und der Westen sich massiv in diesem Gebiet aufhalten und wegen — in unseren Augen — einer Lappalie - im Vergleich zu der Besetzung der arabischen Gebiete durch Israel — einen Krieg entfesseln wollen, ist die Bevölkerung der arabischen Welt, einschl. Irak, mit dem Gefühl bei Saddam Hussein.
Das muß man sehen, weil dieser massive Eingriff des Westens, der Saddam Hussein 1963 mit einem faschistischen Putsch geschaffen hat und der in drei Tagen mehr als 250.000 Menschen das Leben gekostet hat, dieser Eingriff in die Geschicke der Menschen in unserem Gebiet kann nicht ohne Blutvergießen vorbeigehen.
Sie verstehen sich als Opposition. Seit wann sind Sie in der Opposition und was heißt das? Heißt das auch im Exil leben, heißt das auch von hier aus und für welche Ziele zu kämpfen?
Natürlich. Wir sind seit dem faschistischen Putsch 1963 in der Opposition. Wir kämpfen für einen demokratischen Irak, der die Menschenrechte achtet, der die demokratischen Traditionen des irakischen Volkes fortsetzt und der die Rechte der Nationalitäten im Irak garantiert, z.B. die Schaffung eines autonomen Kurdengebiets, also Selbstverwirklichung des kurdischen Volkes.
Sind Sie verfolgt?
Natürlich, im Irak und hier auch.
Wenn der Krieg tatsächlich nicht mehr zu verhindern ist, woran appellieren Sie hier im Ausland?
Es ist zwei Minuten vor zwölf, also sehr spät, irgendetwas in die Wege zu leiten. Wir können im Ausland nur an das Gewissen der Welt appellieren, die Menschen dazu bekommen, den Kriegstreibern in die Arme zu fallen, Daß sie massenhaft auf die Straße gehen. Gleichzeitig wollen wir informieren, was dahinter steckt.
Es geht nicht an, daß Israel mehrere hundert Resolutionen des Sicherheitsrates und er UNO mißachtet und daß Saddam Hussein, deswegen einen Krieg auslöst, der Millionen Menschen das Leben kosten wird. Es ist keine Begründung wegen Saddam Hussein, wegen so einem Mörder so einen Krieg anzuzetteln.
In diesem Fall spreche ich dem gesamten Westen das Recht ab, sich auf moralische Positionen und die Verwirklichung der Menschenrechte zu stellen. Denn es geht dem Westen ausschließlich um das Öl und sonst gar nichts. Das hat Bush dankenswerterweise auch zugegeben.
Interview: Birgitt Rambalski
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