: Protest gegen die sowjetische Militärintervention
■ Prag 1968 — Vilnius 1991/ Ein Aufruf zur Einmischung DOKUMENTATION
Etwas Ungeheuerliches ist passiert: Sowjetische Truppen haben die frei gewählte Regierung Litauens abgesetzt, das Parlament faktisch aufgelöst und bei der Kaperung der Massenmedien des Landes 14 Menschen getötet. Wir sehen aus Vilnius Bilder, die uns an Prag 1968 erinnern. Damals protestierte die Neue Linke in den Ländern Westeuropas und in den Vereinigten Staaten gegen den Krieg der westlichen Supermacht USA in Vietnam ebenso wie gegen die Okkupation der CSSR durch den Warschauer Pakt unter Führung der östlichen Supermacht Sowjetunion.
Die Blockkonfrontation ist vorbei, haben wir im letzten Jahr immer wieder gehört und auch erfahren. Offensichtlich ist damit aber nicht die gegenseitige Akzeptanz von Einflußsphären der alten Großmächte ad acta gelegt. Ende 1989 haben die USA Panama wie ihren Hinterhof behandelt, jetzt verfährt die Sowjetunion nach einem ähnlichen Muster in Litauen, das seit zwei Jahren mit beeindruckenden demokratischen Mehrheiten sein Selbstbestimmungsrecht reklamiert und die Sezession von der Union betreibt.
Das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines Landes ist eine zivilisatorische Errungenschaft im Umgang zwischen Staaten und Regierungen. Wir handeln aber auf einer anderen Ebene: Wir sind Teil einer Gesellschaft, die das Glück hatte, einen demokratischen Wandel friedlich zu erleben. Wir werden alle Menschen unterstützen, die für sich auch einen solchen Prozeß ihrer Lebensumstände bewirken wollen. Deshalb diese Erklärung, deshalb mischen wir uns jetzt ein.
In einer aufgeklärten, vernetzten Informationsgesellschaft kann Außenpolitik garnicht mehr das Monopol des Staates sein, allein das Geschäft von Regierungen. Menschen in allen Teilen der Welt haben sich zu Wort gemeldet angesichts der drohenden Kriegsgefahr am Persischen Golf, ihr und unser Mittel ist zuerst Protest. Heute wissen wir, daß dieser Protest wieder in zwei Richtungen gehen muß. Wir müssen die Tradition von 1968 wieder aufnehmen.
Kommen Sie am Dienstag den 15. Januar um 18 Uhr vor die Außenstelle der sowjetischen Botschaft Unter den Linden. Protestieren Sie mit uns gegen die Aussetzung der Demokratie in Litauen, gegen die alte Großmachtpolitik der Sowjetunion durch Ihre Anwesenheit und durch persönliche Briefe an den Botschafter der UdSSR.
Erstunterzeichnerinnen: Freya Klier (Regisseurin), Franziska Eichstädt-Bohlig (Stadtplanerin), Christiane Neumann (Juristin), Georgia Tornow (Journalistin), Sarah Haffner (Malerin), Hilde Schramm (Sozialwissenschaftlerin).
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