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Auf halbem Weg

■ Zum familien- und frauenpolitischen Konzept der CDU

Rita Süßmuth freute sich offensichtlich über die familienpolitischen Beschlüsse der Koalition. Enthalten sie doch neuerliche Bausteine für das Konzept „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, das von der Crew der CDU-ModernisiererInnen getragen wird. Der Erziehungsurlaub mit Arbeitsplatzgarantie soll ab 1992 auf drei Jahre ausgedehnt, für Kinder, allerdings erst ab drei Jahren, ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz geschaffen werden. Beim Familienlastenausgleich wird eine Politik der vorsichtigen Umverteilung zugunsten von Eltern mit niedrigen Einkommen anvisiert. Das greift ineinander und weist die Richtung — und doch bleibt diese Politik auf halbem Wege stecken. Sie kann weder der Vielfalt von Lebensmodellen gerecht werden, noch verändert sie die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern, noch bringt sie die Umgestaltung der Arbeitswelt für einem Leben mit Kindern voran.

Selbstverständlich ist die CDU-Politik eine Reaktion auf die Frauenemanzipation, der Trend zur Frauenerwerbstätigkeit läßt sich nicht aufhalten und die CDU ist viel zu klug, um gegen den Strom zu schwimmen. Zudem machte die aktuelle Situation mit den neuen Bundesländern und ihren spezifischen Erfahrungen ein politisches Signal dringend erforderlich. Zu deutlich sind die Stimmen für den Erhalt der dortigen Kindergartenplätze, zu laut ist der Unmut über die völlig unzureichende Situation in den alten Ländern. Wobei das letzte Wort über den Rechtsanspruch noch nicht gesprochen ist. Denn die heftigsten Widersacher sind wie bekannt die Finanzminister der Länder.

Drei Jahre Freistellung vom Arbeitsleben für die Betreuung eines Kindes sind eine positive Sache. Die Crux ist nur: Die 600 DM Erziehungsgeld stellen keine eigenständige Existenzsicherung dar. Deshalb geht fast kein Mann in den Erziehungsurlaub und Frauen nehmen finanzielle Abhängigkeit vom (Ehe)Mann oder der Sozialhilfe in Kauf. Und dieses „Zubrot“ wird nach den Plänen der Koalition nicht einmal mit dem erweiterten Urlaub Schritt halten, sondern nur für 20 Monate gezahlt werden. Wer kann sich die dreijährige Freistellung denn dann leisten? Tatsächlich nur Frauen mit einem gutverdienenden Mann. Das Ganze orientiert sich am klassischen Familienmodell, das aber schon längst nicht mehr gesellschaftlich die Regel ist. Die Lebensformen sind vielfältiger, unberechenbarer geworden — aber darauf kann oder will sich die CDU-Politik immer noch nicht einstellen. Bei ihr gibt es einen Mann, der sein ganzes ununterbrochenes Arbeitsleben lang für das Einkommen zuständig ist. Frauen haben ihre „Familienphase“ und arbeiten ansonsten schlecht bezahlt Teilzeit. Helga Lukoschat

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