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Bitte recht feindlich!

■ Ein Kulturabwickler gegen alle im Fotoforum Böttcherstraße: Streit mit Scherf um die düstere Zukunft der Fotografie in Bremen

Einerseits hatte das Podium ein Loch. Rechts, wo laut Namensschildchen hiesige Abwickler von sogenannter Kulturpolitik plaziert waren, hockten bloß drei Stühle hinter drei Mikrophonen, mit denen schlecht streiten war. Einzig Kultursenator Scherf konnte angekündigt werden, gehörige Verspätung gleich inbegriffen: erst hatte er nämlich, bei der Sparkasse, das Mozart-Jahr feierlich anzustechen (vgl. unseren Bericht unten).

Umso zahlreicher war die Partei der Kultur versammelt. Immerhin sollten Glanz und Elend des Forums Böttcherstraße debattiert werden, welches immer noch als allererste Adresse für Fotografie gilt und doch seit Jahren dem Konkurs entgegentaumelt: ein deprimierender Fall und nur als Bremensie denkbar. Im Saal des Forums waren vorgestern abend mehr Leute als Stühle.

Aus dem ganzen Land waren die Foto-Weisen gekommen mit Wundöl, Myrrhe und Schmeichelworten: Professoren und Fotohistoriker, die Leiterin der „Spiegel“-Bildabteilung, ein Ausstellungsmacher sowie die beiden eingemeindeten Kunstköpfe Deecke vom Neuen Museum Weserburg und Waller, HfK-Rektor; und alle sprachen: eine Perle ist das Forum. Man darf ergänzen: eine der wenigen, die Bremen noch hat. Ob sie jetzt, wie viele vor ihr, versetzt wird, ist die Frage.

Beschluß ist, sagt Wolfgang Stemmer, der Ausstellungsleiter, daß in die Forums-Räume in der Böttcherstraße demnächst ein Paula-Becker-Modersohn-Museum einzieht. Neues Obdach für das Forum gäbe es in der verlassenen Schalterhalle der Post, gleich um die Ecke in der Langenstraße. Und die Kulturbehörde ist nunmehr entschlossen, diese Räume zu mieten.

Wir machen jetzt einen langen Zeitsprung und landen um 22.25 Uhr, als gleich nach dem Schlußwort doch noch Henning Scherf eintrifft: Nein, sagt er, das Forum will die 1300 Quadratmeter für sich allein. Kriegt es aber nicht. Und es will viel Geld. Kriegt es auch nicht. Stemmer sagt, was das Forum will und warum: 150.000 Mark jährlich für Sachmittel, dazu die Miete und 390.000 Mark für viereinhalb feste Stellen. Macht summa 800.000 Mark.

250.000 Mark aufgelaufener Schulden will die Sparkasse übernehmen, falls das Forum eine Zukunft beschert kriegt. 450.000 Mark will das Forum jährlich, über Eintrittsgelder und Sponsoren, selber erwirtschaften. Damit ist beileibe nicht, wie Scherf noch kurz zuvor im Fernsehen behauptet hat, das Forum von Null auf Krawumm der reichste Kunstverein im Land, sondern immer noch bloß Mittelfeld.

Die Stadt bekäme dafür aber publikumsmagnetische Fotoausstellungen wie bisher. Und zusätzlich, was schon eingestellt werden mußte: kleinere Avantgarde-Schauen und ein Workshop-und Kursprogramm nebenher. In Zeiten elektronischer Bildverarbeitung, wo unsere visuelle Vertrottelung ganz schnell epidemisch werden könnte, vielleicht keine Kleinigkeit. Was ist da, sagt einer, das bißchen Geld?

Das tut dem Scherf nun wieder weh, und er fällt abermals vor aller Augen unter dem Kreuz des Kulturetats: „Sie wissen, womit wir auskommen müssen. Ich lasse mich doch nicht durch die ganze Stadt peitschen, dem allgemeinen Beschimpfen preisgegeben, um hier dann das ganze Geld auszugeben. Und auch noch für Personalkosten!“ Aber das Modersohn-Museum, interessant nur für Touristen, giftet Waller seitwärts, von 390.000 Mark hört man; „sind das vielleicht keine Personalkosten?“

Scherf will die Räume in der Langenstraße unter mehrere Benutzergruppen aufteilen. Wer grad dran wäre mit Ausstellungsprojekten usw., das entschiede auf Antrag die Behörde und hätte damit erstmals einen Fuß in der Tür des Forums. Für Stemmer eine unerträgliche Vorstellung. Bezahlen will Scherf nur die Miete plus einen Betrag X für Sachmittel, keine Planstellen. Womöglich steckt dahinter die Vorstellung, es sei damit getan, sich ab und zu mal ein paar Bilder schicken zu lassen und sodann aufzuhängen; es wäre die typische Bremer Lösung: ein kleingeraspeltes Nichts.

Am Ende bot das Forum in der Not ein Friedenspfeifchen: vielleicht kann man erstmal mit weniger Stellen anfangen. Am 29. Januar wird die Deputation für Wissenschaft und Kunst wieder einmal sitzen und bei der Gelegenheit entscheiden, wieviel Geld das Forum braucht. Vorher, am 18. Januar, begeht es mit einer Ausstellung der Klassikerin Margaret Bourke-White seinen womöglich letzten Pieps. Manfred Dworschak

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