: Nachtspeicherheizungen-betr.: "Senat will Energieverschwendung", taz vom 9.1.91
betr.: »Senat will Energieverschwendung«,
taz vom 9.1.91
Das sogenannte Energiespargesetz, in der Endphase der rot-grünen Koalition im Eilverfahren gegen die Meinung der zuständigen Fachbehörden und ohne Anhörung der betroffenen Verbände erlassen, enthält in Paragraph 22 ein rechtlich fragwürdiges und sachlich nicht gerechtfertigtes Verbot des Neuanschlusses von Elektrospeicherheizungen. Der Energiebeirat hatte sich im Herbst vergangenen Jahres gegen die Verabschiedung des Gesetzes ausgesprochen, weil aufgrund der unbegründeten Hektik eine fachkundige Prüfung nicht möglich war. Rechtlich problematisch ist dieses Gesetz schon deshalb, weil der Berliner Gesetzgeber nicht die Kompetenz hat, Verwendungsverbote für elektrische Energie anzuordnen und für Verstöße Bußgelder anzudrohen, wenn Bundesrecht, zum Beispiel die BTO Elt, eine abschließende Regelung hierzu trifft. Sofern die AL also gegen die vom Senat an den Rat der Bürgermeister weitergeleitete Ausnahmeregelung rechtlich vorgehen will, böte dies einen guten Anlaß, das Energiespargesetz näher zu überprüfen. Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, daß weite Teile dieses Gesetzes rechtswidrig und damit nichtig sind.
Die Behauptung, daß Nachtstromspeicherheizungen Energie verschwenden, ist einfach falsch. Studien in der Bundesrepublik haben ergeben, daß die dezentrale Elektrospeicherheizung, die eine raumweise und individuell angepaßte Wärmeversorgung ermöglicht, durchschnittlich nur 54 Prozent des Endenergieverbrauchs von Zentralheizungen beansprucht. Betrachtet man den gesamten Primärenergieaufwand für verschiedene Heizsysteme von der Gewinnung bis zum Verbraucher — dies ist der einzig zulässige Vergleichsmaßstab — so ergibt sich für die elektrische Speicherheizung ein um 38 Prozent höherer Primäraufwand als für vergleichbare zentrale Ölheizungen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß Heizstrom im wesentlichen sogenannte »Kohle-über-Draht«- Versorgung ist, das heißt, Öl und umweltschädliche Einzelfeuerungen werden durch deutsche Steinkohle ersetzt, die sonst im Raumwärmemarkt nicht einsetzbar wäre.
Hinzu kommt in Berlin, daß die Bewag die Stromnachfrage fast ausschließlich durch Kraft- Wärme-gekoppelte Erzeugungsanlagen deckt. Dadurch wird die Primärenergie in Berlin weitaus besser genutzt, als in reinen Kondensationskraftwerken. Nachtstromspeicherheizungen sind erforderlich, um den im Winter nachts aufgrund des Kraft-Wärme-Koppelungsprozesses ohnehin erzeugten Strom energetisch sinnvoll zu verwenden. Die Bewag deckt zur Zeit rund 18 Prozent des Berliner Wärmebedarfes durch Fernwärme, dieser Anteil wird sich in den nächsten Jahren noch erhöhen. Ein optimaler Kraftwerkseinsatz ist naturgemäß nur dann möglich, wenn neben Fernwärme auch Strom erzeugt und damit der hohe Wirkungsgrad der Berliner Heizkraftwerke auch ausgenutzt wird. Dies setzt eine der Heizleistung angepaßte Stromnachfrage auch in den Nachtstunden voraus, sonst müßte die Bewag ihre Kraftwerke zum Teil als reine Heizwerke betreiben und würde damit Energie unnütz verschwenden. Diese elementaren Zusammenhänge wurden bei der Abfassung des Gesetzes schlicht übersehen.
Bereits in der Vergangenheit wurden Neuanschlüsse von Elektrospeicherheizungen nur vorgenommen, wenn dies ohne zusätzliche Investitionen möglich und aufgrund des Kraft-Wärme-Koppelungsprozesses energetisch sinnvoll war. Die elektrische Heizung kann und darf nicht mit anderen leistungsgebundenen Heizungssystemen — also mit Gas- oder Fernwärme — konkurrieren. Allerdings ist es nach wie vor sinnvoll, den Ölanteil im Raumwärmemarkt zugunsten der deutschen Steinkohle zu verringern. Dies ist durch elektrische Heizsysteme möglich. Daher ist es auch durchaus folgerichtig, wenn eine Rechtsverordnung des Senats den Neuanschluß ermöglicht, wenn geringere Gesamtkosten entstehen, keine zusätzlichen Netzinvestitionen erforderlich sind und dem Gesichtspunkt der optimalen Energiebereitstellung durch Kraft-Wärme-Kopplung Rechnung getragen wird.
Die Diskussion zeigt deutlich, daß das hastig verabschiedete Energiespargesetz nicht nur rechtlich zweifelhaft, sondern auch aufgrund fehlerhafter energiewirtschaftlicher Annahmen sachlich geradezu kontraproduktiv ist. Der neue Senat wäre gut beraten, die im Herbst vernachlässigte — vom Energiebeirat angemahnte — Detailanalyse nachzuholen. Armin Bechtold, c/o Bewag, Berlin
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