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Scharin bezweifelt Gorbatschows Version der Ereignisse in Litauen

Potsdam (afp) — Der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow muß nach Ansicht des stellvertretenden Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses im Obersten Sowjet, Leonid Scharin, Kenntnis von der militärischen Aktion in Litauen gehabt haben. Vor der Presse in Potsdam, wo er sich zur Kontrolle des Truppenabzuges aus Deutschland aufhielt, erklärte Scharin gestern, über derartige Dinge werde der Präsident unterrichtet. „Ich kann mir keinen Präsidenten vorstellen, der nicht Bescheid weiß“, sagte Scharin. Nach seiner persönlichen Meinung befragt, sagte er lediglich: „Sie wollen von mir mehr, als ich geben kann.“

Scharin verteidigte die Besetzung des Fernsehzentrums in Vilnius durch Miliz und Luftlandetruppen in der Nacht auf Sonntag als Reaktion der Armee auf „Provokation und Terrorisierung“. Zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen, sei es erst nach dem Tod eines Hauptmannes gekommen, erklärte er. Dies habe die Soldaten, die lediglich mit Platzpatronen bewaffnet gewesen seien, „aus dem Gleichgewicht gebracht“. Scharin erklärte, daß alleine im vergangen Jahr im Baltikum, in Armenien und Moldawien 97 Offiziere von Zivilisten getötet worden seien. „Auch ein Kommandeur ist nur ein Mensch“, erklärte er. Die Armee habe den Präsidenten gewarnt, daß der Staat die Armee schützen müsse, „sonst ist sie gezwungen, sich selbst zu schützen“.

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