: Massenexodus aus Albanien geht weiter
Tirana (afp) — Mehr als tausend Albaner sind weiter auf der Flucht nach Griechenland. Ein Appell der Regierungschefs von Griechenland und Albanien an die Flüchtlinge, in ihrer Heimat zu bleiben, blieb erfolglos. Der gemeinsame Aufruf an die Albaner war im Rahmen der Tirana-Visite des griechischen Ministerpräsidenten Konstantin Mitsotakis Ende letzter Woche erfolgt. Die Reise von Mitsotakis, der als erster westlicher Staatschef das kommunistische Land besuchte, gilt als historisches Ereignis.
Für das Problem der Emigranten brachte sie jedoch keine Lösung. Viele Flüchtlinge sind Albaner griechischer Abstammung. Sie hatte Mitsotakis am Montag aufgefordert, in ihrer „neuen“ Heimat zu bleiben und als Verbindungsglied zwischen beiden Ländern zu fungieren. Seinen bereits geflohenen Landsleuten hatte der albanische Ministerpräsident bei Rückkehr Straffreiheit zugesagt.
Ungeachtet dessen hält die Flüchtlingswelle nach Griechenland weiter an. Innerhalb von 24 Stunden trafen dort 1.034 Albaner ein. Seit Jahresbeginn haben nach griechischen Angaben ungefähr 10.000 Menschen die Grenze nach Griechenland heimlich überschritten. Die amtliche Presse in Tirana erwähnt den Massenexodus nicht. Für Evanghelos Haralambidis, den Präfekten der nordgriechischen Region Joannina, ist der Flüchtlingsstrom „ein von Tirana organisiertes Projekt“. Die albanische Regierung wolle ihr Land von griechischen Elementen säubern. Von den 3,3 Millionen Einwohnern Albaniens sind nach Angaben aus Athen etwa 400.000 griechischer Abstammung. In Tirana wird ihre Zahl mit 57.000 angegeben. Die Region von Joannina ist von der Flüchtlingswelle besonders betroffen. Die albanische Regierung fühlt sich für die Ausreise der griechischstämmigen Albaner nicht verantwortlich. Sie sieht darin vielmehr einen „Bumerangeffekt“, den die Griechen dadurch ausgelöst hätten, daß sie die Albaner griechischer Abstammung ständig als Landsleute bezeichnet hätten. Das erklärte ein hoher albanischer Diplomat gegenüber 'afp‘. Der Sprecher der wichtigsten Oppositionspartei „Albanische Demokratische Partei“ (PDA) sieht im kommunistischen Regime die Ursache für den Exodus. Beweise für eine gezielte Beeinflussung der Flüchtlingswelle durch die Regierung lägen, wie er gegenüber 'afp‘ erklärte, nicht vor.
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