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Vertagen um zum Ziel zu kommen

Nachtschicht bei der Regierungsbildung/ Bonner Koalition blieb bei Sachfragen erneut stecken  ■ Aus Bonn Gerd Nowakowski

Zum Abschluß eine Nachtschicht. Die drohende Kriegsgefahr am Golf hatte der Koalition zur Einsicht verholfen, die Verhandlungen über das Regierungsprogramm zügig zu beenden, damit Donnerstag der Kanzler und Freitag das Kabinett gewählt werden können. Doch der Vorsatz reichte nicht weit.

Beim Mietrecht konnte sich die Koalition bislang nur auf eine Mieterhöhung für die Bürger in der ehemaligen DDR verständigen. Übernehme die FDP von der CSU das ungeliebte, weil mit unpopulären Maßnahmen verbundene Bauressort, dann bestünde für die CSU auch kein Klärungsbedarf mehr in der Frage der Obergrenzen für Mieterhöhungen. Die CSU fordert bislang, die Mieten dürften innerhalb von drei Jahren nur um 15 Prozent steigen — die FDP hält dagegen auch 25 Prozent für akzeptabel.

Beim Thema Niedrigsteuergebiet Ostdeutschland, von der FDP ganz hoch gehängt, sollte der gestrige Abend die Klärung bringen. Ein gewählter FDP-Fraktionsvorsitzender Solms werde Kompromissen zugänglicher sein als vor der Wahl, bei der er auf die Unterstützung des FDP-Hardliners Lamdsdorff angewiesen war, hoffte die CSU. Gestern vormittag blieben die Positionen jedoch erneut weit voneinander entfernt. Der FDP-Forderung, in Gesamtdeutschland solle die ertragsunabhängige Gewerbekapital- und Vermögensteuer abgeschafft werden und zusätzlich im Bereich der ehemaligen DDR die ertragsabhängigen Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbeertragsteuern gesenkt werden, verweigerte sich Finanzminister Waigel (CSU). Er bot in der letzten Verhandlungsrunde als Kompromiß zusätzliche Sonderabschreibungen und erhöhte Investitionszulagen an. Diese Instrumente seien dem Ziel, die Wirtschaft in den fünf neuen Bundesländern anzukurbeln, weit zuträglicher. Insbesondere der aus der DDR stammende Bundesminister Krause (CDU) zeigte sich verärgert, weil die FDP-Wohltaten nicht den Menschen in den fünf neuen Ländern, sondern vor allem der wohlhabenden Westklientel der Liberalen zugutekämen.

Geklärt werden sollten aber nach CSU-Wunsch die Maßnahmen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Einig ist man sich über das Abschöpfen von Gewinnen aus kriminellen Geschäften, der künftigen Strafbarkeit der „Geldwäsche“ und dem Einsatz verdeckter Ermittler. Doch die FDP lehnt besonders den Einsatz von Abhöreinrichtungen ab.

Im Verteidigungsbereich will die Koalition, ganz entgegen der starken Worte der FDP vor der Bundestagswahl, nun doch den umstrittenen Jäger 90 bis zum Ende weiterentwickeln. Keine Entscheidung wurde aber gefällt, das teure und nach Meinung von Experten bereits vor dem Bau veraltete Kampfflugzeug dann auch zu bauen. Abgeblitzt ist die FDP auch mit ihrer Forderung, die Wehrpflichtzeit ab 1995 von zwölf auf neun Monate zu verkürzen. Außerdem einigte sich die Koaliton auf einen Plan, die Bundeswehr von jetzt 570.000 bis 1994 auf 370.000 Soldaten abzubauen. Danach soll die Marine die Zahl ihrer Schiffe auf 90 nahezu halbieren. Die Luftwaffe wird die Zahl der Flugzeuge von jetzt 1.000 (darunter 400 der Ex-DDR- Streitkräfte) auf 500 senken.

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