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UNO-Ultimatum abgelaufen USA lehnen Kompromiß ab

■ Ultimatum nicht verlängert/ Neue Vorschläge Frankreichs sehen eine Verknüpfung der Palästinafrage mit der Besetzung Kuwaits durch den Irak vor/ Großdemonstrationen in Bagdad für den Krieg

New York/Bagdad/Paris (ap/afp/taz) — Heute, sechs Uhr mitteleuropäischer, acht Uhr kuwaitischer und null Uhr New Yorker Zeit: Das UNO-Ultimatum gegen die Besetzung Kuwaits durch den Irak ist abgelaufen. Der Krieg einer multinationalen Streitmacht mit den USA an der Spitze gegen die Annektierung Kuwaits durch das Regime Saddam Husseins rückt damit in greifbare Nähe, auch wenn das Ultimatum keineswegs einen militärischen Einsatz vorschreibt (siehe Dokumentation auf dieser Seite).

Doch die USA schienen gestern gewillt, in den Krieg zu ziehen — trotz der weltweiten Proteste von Kriegsgegnern und trotz der Bemühungen Frankreichs, in letzter Minute eine diplomatische Lösung zu erreichen. Washington lehnte einen Vorschlag aus Paris ab, der nach einem Rückzug des Iraks aus Kuwait „zu angemessener Zeit“ eine Nahostkonferenz vorsieht. Zudem sollten UNO-Truppen in Kuwait stationiert werden, Irak soll gleichzeitig eine Nichtangriffsgarantie erhalten. Gestern abend dauerten die Beratungen des UNO- Sicherheitsrats über den französischen Vorschlag an. Er wird unter anderem von der UdSSR, Deutschland und den Blockfreien unterstützt. Die USA machten jedoch deutlich, daß für sie die Verknüpfung zwischen der Besetzung Kuwaits und der Palästinafrage nicht in Betracht käme. Israel warf Frankreich einen „Bruch der internationalen Solidarität“ vor. Am Abend legte London einen Gegenentwurf zu der französischen Initiative vor. Ziel sei es, einen Text zu verfassen, „den alle Mitglieder des Sicherheitsrates unterschreiben können“, so ein britischer Regierungssprecher. Von einer Nahostkonferenz ist in dem Gegenentwurf keine Rede mehr.

Bagdad äußerte sich zu den UNO-Initiativen nicht. Statt dessen fanden Großdemonstrationen mit mehreren hunderttausend Teilnehmern statt. Der gestrige 15. Januar werde zum „zum Anfang vom Ende des internationalen Imperialismus unter Führung Amerikas“ und „ein Symbol für die arabische und islamische Standhaftigkeit“, hieß es. Ein irakischer Offizier teilte mit, Kamikazeeinheiten der irakischen Luftwaffe stünden bereit, Ziele zu Wasser, zu Lande und in der Luft zu vernichten. Die Besatzungen seien bereit, ihr Leben im „Heiligen Krieg“ zu opfern.

Frankreich machte eine Bagdad-Reise von Außenminister Roland Dumas davon abhängig, daß der Irak ein „klares Zeichen“ seiner Zustimmung zum französischen Friedensplan gibt. Die Zeit dränge, denn es sei „nicht vorgesehen“, daß Dumas nach Ablauf des UNO-Ultimatums in den Irak fliege, sagte Ministeriumssprecher Daniel Bernard in Paris. UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar erteilte in New York allen Spekulationen über eine Verlängerung des Ultimatums eine klare Absage. US-Präsident George Bush hatte gestern nach Angaben von Mitarbeitern noch nicht entschieden, wann es zu einem Angriff gegen das besetzte Kuwait kommen soll. Eine militärische Offensive der US-Truppen könnte sich nach Ansicht von Militärexperten aus strategischen Gründen noch um Wochen hinauszögern. Die US-Luftwaffe will weitere Flugzeuge aus Westeuropa in die Südtürkei entsenden. Syrien verstärkte gestern massiv seine Truppen an der Grenze zu Jordanien, um sich auf einen möglichen israelischen Angriff vorzubereiten. Der drohende Golfkrieg hielt gestern die internationalen Aktienmärkte in Atem. Die Kurse notierten schwach, der ölpreis stieg weiter. In Deutschland wurden die Benzinpreise erneut erhöht. Die Bundesbürger horten Heizöl und Benzin.

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