: Kind oder Kegeln?
■ Heute abend: Premiere von „Top Girls“ im Schauspielhaus / Wie Männer Frauenstücke machen
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den Langhaarigen
mit Brille
Regisseur Wolfgang HofmannFoto: Jörg Landsberg
Heute abend hat im Schauspielhaus das Stück „Top Girls“ Premiere. Die britische Autorin Caryl Churchill läßt darin zwei Frauen kollidieren, die sonst in entgegengesetzten Winkeln der Welt beheimatet sind: Marlene, die metropolitane Erfolgreiche mit ihrer Stellenagentur für weibliche shooting stars gleich ihr, eben „Top Girls“ — und andererseits Joyce, das Hausmuttchen vom Land, mit Kind und Kegel schwer bebürdet. Joyce's Kind, stellt sich heraus, ist in Wahrheit die Tochter von Marlene, einstmals weggegeben von wegen Karriere. Die taz sprach mit dem Regisseur Wolfgang Hofmann und dem Dramaturgen Dietrich von Oertzen.
taz: Es gibt keine einzige Männerrolle in dem Stück. Sehen wir jetzt eine spezielle Frauenwelt, inszeniert von einem Mann?
Wolfgang Hofmann: Wieso Frauenwelt? Und überhaupt lege nicht ich hier einen Blick auf die Welt und alle tapsen mir nach. Das war eine Arbeit von uns allen.
Dietrich von Oertzen: Wissen Sie, das Stück ist zu Anfang der Achtziger in England entstanden, als Maggie Thatcher gerade gewählt war und eine neue Zeit der Prosperität losging. Und ohne daß dieses Stück eine These enthielte, kann man ihm doch entnehmen, daß Frauen sich wie Männer verhalten, im Falle sie in dieses System der Rivalität und Härte einsteigen.
Ein Stück mit nur Männern würden Sie genauso inszenieren?
Wolfgang Hofmann: Was heißt denn „Männerstück“?
Dietrich von Oertzen: Vielleicht muß man bißchen ausholen: Die These, daß es einen Unterschied zwischen männlicher und weiblicher Ästhetik gibt, ist mittlerweile selbst von führenden Vorkämpferinnen eben dieser These bestritten worden.
Wolfgang Hofmann: Die Fragen um Kind oder Karriere sind, glaube ich, von so allgemeiner Art, daß auch Nicht-Frauen etwas darüber sagen dürfen. Das Stück trifft ja selber keine Entscheidung. Die Positionen von Joyce und Marlene sind mit gleicher Kraft und Konsequenz vertreten, sozusagen antithetisch. Das Publikum entscheidet.
Eine Figur, die wegen Aufstiegs gleich ihr Kind komplett weggibt, ist das nicht ein bißchen dicke?
Dietrich von Oertzen: Nein. Es läuft doch überall die Debatte, was es den Frauen überhaupt nützen kann, in einer von Männern beherrschten Welt hochzukommen. Das wird im Stück vielseitig beleuchtet. Zum Beispiel in der schönen ersten Szene. Da können wir das Thema mit vierzehn Frauengestalten aus den letzten tausend Jahren durchspielen. Und alles auf diese englische Theater- Art: thesenfrei und witzig.
Wie kam der Regisseur zum Stück und beide nach Bremen?
Wolfgang Hofmann: Auf ganz normalen Wegen. Da sieht jemand was von mir, findet es interessant und lädt mich ein. Nachher schaut man, was man machen könnte. In unserm Fall, das kann man ruhig sagen, spielte es auch eine Rolle, daß lange für „Hamlet“ geprobt worden ist und die Frauen im Ensemble deshalb so gut wie beschäftigungslos waren. Die erste Konsequenz war der „Don Juan“, die zweite ist „Top Girls“.
Mal ehrlich, Herr Hofmann, hatten Sie während zwei Monaten Proben nie Probleme damit, daß Sie ein Mann sind?
Wolfgang Hofmann: Nein (lacht lauthals). Bloß privat. Jede Menge. Täglich. Nee, während der Probenarbeit nicht. Im Zweifelsfall haben die Frauen mir das klargemacht.
Verraten Sie mal einen Zweifelsfall?
Wolfgang Hofmann: Naja, zum Beispiel kann ich nicht konkret nachfühlen, was es heißt, bei diesem Stück schwanger zu sein und trotzdem zu spielen. Nun ist Maria von Bismarck gerade schwanger, Annegret Wagner auch, Minni Oehl hat grad ein Kind geboren. Da konnten wir das Stück ganz unmittelbar diskutieren.
Was werden wir auf der Bühne sehen? Marlenes schickes Büro und Joyce's miefige Windelwaschküche?
Dietrich von Oertzen: Also naturalistisch wird's nicht.
Wolfgang Hofmann: Schon etwas stilisiert, verknappt.
Das Stück gilt als unterhaltsam. Hat Ihnen das Inszenieren gefallen?
Wolfgang Hofmann: Sehr. Anfangs war ich gespannt, wie das wird, nur mit Frauen. Ich bin ja nicht gekommen, um Konzeptionstheater zu machen und zu sagen: Der Hofmann liest das Stück wie folgt. Nun, wir hatten viel Spaß, und es sind brillante Szenen drin. Wir haben ein Stück gemacht für sieben Schauspielerinnen. Und wenn am Ende die Leute sagen: Warum bleiben die bloß nicht alle hier nach dem Ende dieser Spielzeit, dann wär das schon wunderbar. Fragen: schak
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