: Arbeitsniederlegung gegen den Golfkrieg
■ Gewerkschaften rufen zu 15minütiger „Denkpause“ am Freitag auf
An 1914 fühlte sich Eike Hemmer, Betriebsrat bei Klöckner, erinnert: „Erst wurde die internationale Solidarität beschworen und versprochen, daß Arbeiter nie wieder auf Arbeiter schießen werden. Aber als der Krieg dann tatsächlich losging, war die Arbeiterbewegung hilflos.“ 1991 reiche es deshalb nicht mehr, „wenn wir uns hinten an die Friedensbewegung anhängen“, sagte Hemmer, „denn wir sind in den Betrieben ja eingespannt in die Kriegsmaschinerie.“ Sein Vorschlag an die gut 250 GewerkschafterInnen, die sich am Dienstag abend, wenige Stunden vor Ablauf des Ultimatums an den Irak, im DGB-Haus versammelt hatten: „Laßt uns in den Betrieben die Arbeit niederlegen und überlegen, was wir tun können.“
Betriebsräte von Airbus (früher MBB) und Vulkan hatten zuvor über die Beteiligung ihrer Firmen an der Hochrüstung im Nahen Osten berichtet. „Der Vulkan wurde jetzt schon zur militärischen Sicherheitszone erklärt“, berichtete Betriebsrat Rolf Spalek, „da haben die Kollegen plötzlich gemerkt, daß der Krieg um Kuwait auch ganz direkt mit ihnen etwas zu tun hat.“ Mehrmals riefen einzelne Gewerkschafter dazu auf, bei Kriegsausbruch gezielt alle Bremer Rüstungsschmieden zu bestreiken.
Der Vorschlag des Krankenpflegers und ehemaligen Deserteurs aus der niederländischen Armee, Gerrit Guit, der Bremer DGB solle für den Tag des Kriegsausbruches am Golf zum unbefristeten Generalstreik aufrufen, ging den Gewerkschaftern denn aber doch zu weit. „Deine Forderung ist populistisch, bewirkt aber nichts“, rief der Hapag-Lloyd-Betriebsrat Sönksen in Richtung Guit. Ein so großer Streik könne nicht „von oben verordnet“ werden. Zunächst müsse in den Betrieben diskutiert und Betroffenheit geweckt werden.
Fast einstimmig verabschiedeten die Gewerkschafter denn auch den Aufruf an alle BremerInnen, am Freitag für 15 Minuten die Arbeit niederzulegen. Der ursprüngliche Plan, damit überall um „fünf vor zwölf“ zu beginnen, wurde jedoch aufgegeben: „Dann ist doch in den meisten Betrieben sowieso Mittagspause“, hatten GewerkschafterInnen eingewandt. Neben den „Denkminuten“ am Freitag verpflichten sich die Gewerkschafter, Soldaten, die sich „dem Einsatz am Golf entziehen“, eine Unterkunft anzubieten.
Die Resolution, die auch zur Beteiligung an allen Aktionen des Bremer Friedensforums aufruft, wurde gestern in hoher Auflage vom DGB gedruckt und in den Betrieben verteilt. „Wir sind ein weites Stück betroffen, daß wir so spät aktiv werden“, gestand der DGB-Kreisvorsitzende Siegfried Schmidt ein, „aber gerade deswegen müssen wir jetzt anfangen.“
Die Deutsche Angestellten Gewerkschaft forderte gestern „alle Verantwortlichen“ auf, jede Möglichkeit wahrzunehmen, um die drohende Kriegsgefahr abzuwehren. Auch wenn es am Golf eine völkerrechtswidrige Aggression gegeben habe, dürfe es nicht zu einer Automatik bei der Ingangsetzung der Kriegsmaschinerie kommen.
Der DAG-Bezirksleiter rief dazu auf, sich am Freitag an der 15minütigen „Denkpause" zu beteiligen. Auch die GEW appellierte an die Schulen, den Unterricht für 15 Minuten zu verlassen. Ase
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