Die Postler setzen ihre Warnstreiks fort

Berlin. Die Postler »warnen« weiter. Auch gestern wurden mehrere Post- und Funkämter bestreikt. Die Gewerkschafter fordern einen einmaligen Teuerungsausgleich.

Seit den frühen Morgenstunden hieß es »Kein Anschluß unter dieser Nummer« aus den Funkämtern im Fernsehturm und in Köpenick. Unbesetzt blieben die Schalterdienste des Hauptpostamtes in Marzahn und der Postämter 3 und 5 in Hohenschönhausen. Nichts lief im Hauptpostamt in Lichtenberg und im Postamt Karlshorst. Nach Angaben von Harry Sommerfeld, Bildungssekretär der Deutschen Postgewerkschaft (DPG) beteiligten sich an den gestrigen Warnstreiks rund 750 Gewerkschafter, am Dienstag waren es mehr als 3.000. Unterdessen schließt die Postgewerkschaft einen Vollstreik zur Durchsetzung ihrer Tarifforderungen in Berlin und den neuen Bundesländern nicht aus. Über eine dazu notwendige Urabstimmung haben gestern abend Gewerkschaftsrat und Hauptvorstand in Frankfurt/Main beraten. Sollte es zu einem Arbeitskampf kommen, dann wird es für den öffentlichen Postverkehr nicht gut aussehen.

Im Ostteil sind 23.000 Menschen entweder bei der Post oder bei Telekom beschäftigt, und nach Angaben von Bernd Lindenau, Vorsitzender der DPG, sind 90 Prozent von ihnen organisiert. Von einer »Streikwut« will er zwar nichts wissen, aber die Streikbereitschaft sei »enorm hoch«. Die Warnstreiks im vergangenen Dezember wurden abgeblasen, nachdem die Arbeitgeber zusagten, im Januar über die Zahlung eines einmaligen und zusätzlichen Bruttomonatslohnes zu verhandeln. Jetzt wollen die Chefs nichts mehr davon wissen.

Die Erbitterung bei den Postlern ist auch deshalb besonders groß, weil sie zu den schlechtbezahltesten Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes gehören. Briefträger Ost erhalten zwischen 800 und 1.000 Mark monatlich — also 40 Prozent des Einkommens ihrer Kollegen im Westteil der Stadt. Für den Westteil beginnen die Tarifverhandlungen am 25. Januar. Die Gewerkschaft fordert hier eine zehnprozentige Erhöhung der Tarifeinkommen. Dieser noch auszuhandelnde Tarifabschluß wird eine Pilotfunktion für Ost-Berlin haben, denn dort sollen die Postler 60 Prozent der Westlöhne erhalten. Auch hier sind Warnstreiks nicht mehr ausgeschlossen. aku