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„Von einer Anzeige würde ich abraten“

„Ja bitte, worum geht es?“ Der junge Mann in der Anzeigenaufnahme des Polizeireviers 53 schaut gelangweilt vom Schreibtisch auf. „Ich möchte gern Anzeige erstatten gegen bundesdeutsche Firmen, die in Verdacht stehen, Rüstungsgüter in den Irak geliefert zu haben.“ Ungläubig bequemt sich der Bedienstete im Zimmer 5a zum Schaltertresen, auf dem inzwischen die in der taz abgedruckte Liste mit 87 bundesdeutschen Firmen liegt, die nach Informationen des außenpolitischen Ausschusses des US-Senats in dem Verdacht stehen, in den vergangenen Jahren Saddam Hussein mit Rüstungsgütern bedient zu haben. Woher denn diese Liste stamme und was denn bitteschön der Straftatbestand sein soll? „Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz, aha, und aus der Zeitung haben Sie das.“ Eine für Kreuzberger Polizeiverhältnisse offensichtlich zu komplizierte Materie. Da muß der junge Mann erst mit der Kripo telefonieren. Die Kripo entscheidet in Minutenschnelle: Diese Strafanzeige kann man gar nicht annehmen. „Warum nicht?“ Weil eine solche Anzeige gar nicht nötig ist. Der Staatsschutz nämlich, so erklärt der junge Mann, wertet selber Zeitungen auf strafbare Handlungen aus. Folglich wird er ja auch die Firmenliste gelesen und schon längst geprüft haben, ob da irgendwo, irgendwie was Strafbares vorliegt. „Aber wenn mein Vertrauen in die Tätigkeiten des Staatsschutzes nicht so groß ist, der ja auch seit Jahren nichts gegen die Firmen unternommen hat, und ich einfach auf meiner Strafanzeige bestehe?“ „Dann nehmen wir diese Anzeige trotzdem nicht auf. Überhaupt: Haben Sie denn eine konkrete Wahrnehmung, daß diese Firmen wirklich Waffen an den Irak geliefert haben?“ „Natürlich nicht, ich stand ja nicht neben den Lieferkisten.“ „Also dann würde ich Ihnen ohnehin von einer Anzeige dringend abraten. Dann können nämlich die Firmen gegen Sie Strafanzeige stellen, wegen falscher Anschuldigung, und dann möchte ich nicht in Ihrer Haut stecken!“Vera Gaserow

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