Embargobrecher im Visier

Razzia bei zwei hessischen Firmen/ Über 100 Firmen auf Zollprüfliste/ Irakische UNO-Botschaft in Genf Drehscheibe der Waffenschieber  ■ Von Thomas Scheuer

Trotz des UNO-Embargos gegen den Irak sind deutsche Techno-Söldner nach wie vor dick im Geschäft mit Saddam Husseins Rüstungsmanagern. Zollfahnder kratzten am Dienstag an der Spitze des Eisberges: Im Rahmen einer Razzia bei den Schwesterfirmen Havert Industrie- Handels-Gesellschaft mbH und Havert Consult Projekt in Neu-Isenburg bei Frankfurt stellten Beamte des Kölner Zollkriminal-Instituts (ZKI) sowie der Frankfurter Zollfahndung am Dienstag nachmittag kartonweise Geschäftsunterlagen sicher.

Über die Verwicklung Haverts in irakische Raketenprojekte hatte der 'Spiegel‘ bereits im Spätsommer berichtet. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt ermittelt nun gegen die beiden Firmen wegen des Verdachts, auch nach dem Inkrafttreten des Irak- Embargos weiterhin an der Lieferung von Raketenkomponenten und Bombenabwurfmechanismen mitgewirkt zu haben.

Die Neu-Isenburger Schieber verkörpern offenbar die Spitze eines Eisberges, oder besser: einer Wanderdüne. Nach Angaben von ZKI- Chef Karl-Heinz Matthias überprüfen die Zollbehörden derzeit rund 110 Firmen auf mögliche Embargoverstöße. Gegen sieben davon liefen bereits staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren.

Ziemlich weit oben auf der Liste rangiert die Stuttgarter TS-Engineering, die nach einem kürzlich gesendeten Bericht des Südwestfunks den irakischen Rüstungskomplex HUTTEEN mit Präzisionsmaschinen zur Herstellung von Granathülsen ausrüstete und auch nach dem Embargo weiter belieferte.

Ein anderes, namentlich nicht genanntes Handelsunternehmen in der Nähe von Duisburg soll versucht haben, Rohlinge für Granathülsen über die Türkei in den Irak zu schmuggeln. Die Sendung fiel Zöllnern wegen des ungewöhnlichen Kalibers von 210 Millimetern auf, das in keinem Nato-Staat, dafür aber im Irak gebräuchlich ist.

Über einen spektakulären Fang der Frankfurter Zollfahndung berichteten die ARD-Tagesthemen am Dienstag abend: Bereits Anfang voriger Woche beschlagnahmten Ermittler auf dem Frankfurter Flughafen die Zentraleinheit eines Vakuumspektrometers.

Solche Geräte werden sowohl in der chemischen als auch in der Nuklearindustrie eingesetzt. Pikanterweise stammt die brisante High- Tech-Ware aus den USA: Die Firma Thermo Jarrell Ash Corporation in Franklin/Massachusetts hatte im Juli 1990, also kurz vor dem irakischen Überfall auf Kuwait, fünf Sendungen via Frankfurt nach Bagdad verschickt. Die sechste Kiste mit dem Herzstück der Anlage, am 4. Januar dieses Jahres auf den Weg gebracht, blieb jetzt im Embargonetz der Zollfahndung auf dem Rhein-Main-Airport hängen.

Dieser Fall veranschaulicht die Tricks und Kanäle, über welche die High-Tech-Schmuggler das UNO- Embargo gegen den Irak unterlaufen: Arrangiert wurde der Umwegtransfer laut Frachtbriefen von einer Firma im schweizerischen Zug, der Advanced Technical Services GmbH (ATS), einer reinen Briefkastenfirma, die in Zug von einer Treuhandgesellschaft verwaltet wird. Die italienischen Mehrheitseigner residieren in Nikosia/Zypern, wo sie offiziell die Filiale der Zuger ATS betreiben.

Wegen des Embargos konnte die jetzt gestoppte Sendung natürlich nicht mehr direkt nach Bagdad adressiert werden. Als Empfänger ist im Frachtbrief die Speditionsfirma Aly Armouk Freight Services im jordanischen Amman eingetragen. Dorthin sollte die Ware von Frankfurt aus via Zypern, dem Sitz der ATS-Hintermänner, geflogen werden. (Der Direktor des schweizerischen Bundesamtes für Außenwirtschaft erklärte kürzlich, seiner Behörde lägen Hinweise vor, wonach Schweizer Firmen für Umgehungsgeschäfte mit dem Irak benutzt würden.)

Daß Embargobrecher bevorzugt auf der Achse Nikosia-Amman unter Verwendung schweizerischer Scheinfirmen operieren, wird auch in einem Dossier festgehalten, das Privatagenten im Auftrag der kuwaitischen Exilregierung zusammengestellt haben. Ein Knotenpunkt im irakischen Beschaffungsnetz soll danach die irakische Mission beim europäischen UNO-Hauptquartier in Genf sein. Als Botschafter residiert dort seit Februar 1989 Barzan Al- Tikriti, ein Halbbruder und enger Vertrauter Saddam Husseins. Zuvor diente er dem Diktator als Geheimdienstchef in Bagdad. Laut Geheimdienstberichten hält sich UNO-Diplomat Barzan auffallend selten in der Botschaft auf, sondern sei „meist auf Reisen“.

Dagegen wird die Botschaft um so reger von nicht akkreditierten Irakis frequentiert. Das schweizerische Außenministerium soll die Irakis bereits dezent daran erinnert haben, daß die Nutzung der Botschaft nur durch akkreditiertes Personal zulässig ist.

Neben Barzan wirken in der Schweiz, vor allem in Genf und Fribourg, mehrere irakische Geschäftsleute als Akquisiteure für die heimische Kriegsindustrie, und zwar in enger Zusammenarbeit mit Beschaffungsagenten in Österreich und der BRD. Als eine Schlüsselfigur in Wien haben die Dienste den Geschäftsführer der Firma Agroprofil, Azmi Barsoum Beskalis, im Visier, dessen Akte bei der Wiener Staatspolizei der Vermerk ziert: „Laut Quelleninformation handelt es sich um einen Waffenhändler“.

In den Irak werden die Embargogüter nach Geheimdiensterkenntnissen vorwiegend via Zypern und Jordanien geschleust. In Amman würden die Ladungen unter anderem vom Büro eines Mocha Arar abgefertigt, einem Bruder des jordanischen Parlamentssprechers Suleiman Arar. Letzterer gilt in Jordanien als einer der wichtigsten Unterstützer Saddam Husseins und bezieht angeblich ein monatliches Entgelt von 10.000 Dinar aus Bagdad.