: „Als Soldat hat man gewisse Pflichten“
Frischgebackene Bundeswehrrekruten bleiben vom Geschehen am Golf unbeeindruckt/ Der Alltag in der Kaserne des 4. Transportbataillions ist unverändert/ Für viele Rekruten ist Hussein der „Bösewicht“/ Soldatische Pflichten betont ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler
Das UNO-Ultimatum gegen den Irak ist gerade ausgelaufen. Die Bundeswehrrekruten in der Kaserne des 4. Tranportbataillons 270 in Nürnberg beginnen den normalen Tagesablauf. Nur der Griff zum Radio gehört von nun an dazu. Nach dem Aufstehen absolvieren die am 2. Januar eingezogenen Rekruten der 3. Kompanie einen „Gewöhnungsmarsch“ mit 15 Kilogramm Gepäck auf dem Rücken zum neun Kilometer entfernten Übungsgelände. Die erste Ausbildung am Heckler& Koch-Sturmgewehr G3 haben sie hinter sich, auch die Stuben sind schon geputzt; jetzt warten sie auf den politischen Unterricht.
Der Zugführer, Oberleutnant Jörg Heimberg (25), wird mit Fragen der Rekruten zur Golfkrise konfrontiert. Er hat damit gerechnet und hat auch Verständnis für die Rekruten: „Früher riß man die Wehrdienstzeit ab, ohne nachzudenken, jetzt wird man mit Krieg konfrontiert.“ Daß das Nürnberger Bataillon selbst aber von dem Krieg am Golf betroffen wird, hält er für unwahrscheinlich. „Wir werden wohl nicht mit dem LKW in die Türkei fahren müssen“, meint der Oberleutnant. Johann Müller (30), stellvertretender Presseoffizier, pflichtet ihm bei. Schließlich sei man hier ja eigentlich nur die „Spedition in oliv“. Müller ärgert sich über die Medien, die seiner Meinung nach den Golfkrieg „hochspielen“. Für ihn ist aber klar: „Wenn der Befehl kommt, dann packe ich meinen Seesack und gehe mit.“
Auch für die am 2. Januar eingezogenen Rekruten ist das keine Frage. „Als Soldat hat man gewisse Pflichten, sonst gäbe es ja Chaos.“ Der 21jährige Michael, gelernter Mechaniker, würde den Befehl ebenso befolgen, wie sein Stubengenosse Mike. Der 20jährige Konditor bringt das auf die einfache Formel: „Im Endeffekt ist man Soldat.“
Gedanken, in einen Krieg eventuell miteinbezogen zu werden, haben sich die beiden frischgebackenen Rekruten, die erst vor zwei Wochen in die Kaserne einrücken mußten, nicht gemacht, als sie im Dezember ihren Einberufungsbescheid in Händen hielten. Sie hatten die Wahl ihren 12monatigen Wehrdienst im Januar oder im April zu absolvieren. Beide bevorzugten den frühen Termin nach dem Motto „So schnell wie möglich“. Die voraussehbare Eskalation am Golf bereitete ihnen keine Sorgen. „Ich habe mich für den Golf nicht interessiert“, begründete der 20jährige Straßenwärter Martin seinen damaligen Schritt. Auch Michael hat sich keine Gedanken gemacht und für Mike ist es „klar, daß die Bundeswehr kommt“. Den Wehrdienst zu verweigern wäre für die Rekruten auf keinen Fall in Frage gekommen. „Nein, ich bin bei der Bundeswehr, das ist meine Pflicht, dazu stehe ich“, verkündet Mike stolz. Weniger stolz aber konsequent pflichtet ihm Michael bei: „Wenn man dazugeht, macht man es halt, dafür ist man Soldat.“ Und Martin erklärt, man müsse halt vorher nachdenken und mit dem Schlimmsten rechnen. Daß auch er sich vor seiner Einberufung keinerlei Gedanken geamcht hatte, quittiert er mit einem Achselzucken.
„Wir können ja auch nicht Polen besetzen“
Selbst im Falle einer Verwicklung in den Krieg käme für die Bundeswehr- Youngster keine Verweigerung in Betracht. „Natürlich habe man Angst vor einem Krieg“, aber man müsse „ja den Hussein stoppen, bevor er ein Land nach dem anderen angreift.“ Das Medientrommelfeuer hat gewirkt. Hussein der „Irre“ müsse „endlich zur Vernunft gebracht werden, sonst könne ja jeder kommen und ein Land besetzen“, meint auch Martin. „Wir können ja auch nicht nach Östereich oder Polen einmarschieren und sagen, jetzt sind wir wieder da“, argumentiert Mike — und alle lachen.
Mike will auch gehört haben, daß Hussein einen Angriff auf die Türkei beabsichtige. Es sei daher schon richtig, daß die Bundeswehr im Nato-Verband in der Türkei mit ihren Alpha-Jets mitmische. „Man muß zuschlagen.“
Am Alltag der Soldaten, die eingezogen worden sind in einer Zeit, als das Feindbild im Ostens schon zerbrochen war, hat sich nichts geändert, und das wird nach Vorstellung der Vorgesetzten auch so bleiben. Für Zugführer Heimberg geht die Ausbildung „ganz normal“ weiter. Von den vierhundert Rekruten, die Anfang des Jahres in die Kaserne beordert worden waren, sind 399 ordnungsgemäß eingetroffen. Nur einer hat den Termin versäumt. „Früher hatten immer mehrere gefehlt“, betont Presseoffizier Müller.
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