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Das Kriegsrisiko trägt die Versicherung

 ■ Aus Stockholm Reinhard Wolff

„Die Welt braucht Öl, also müssen die Transporte weiterlaufen.“ Ola Lorentzen von der Reederei ICB hat kein Verständnis für die Firmen, die jetzt die Golfregion meiden: „Die das tun, sollen doch gleich die Branche wechseln.“ Insgesamt etwa 50 Schiffe unter skandinavischen Flaggen halten sich derzeit in der Golfregion auf.

Fahrten dorthin gestrichen hat praktisch keine Reederei. Auch die Deutsche Shell, die als einzige deutsche Ölgesellschaft eigene Tanker fahren läßt, hat als Motto „business as usual“ ausgegeben: Drei Schiffe, so Pressesprecher Jörg Henschel gestern, würden am 25. Januar am Eingang zum Persischen Golf erwartet, und dann müsse man weiter sehen.

Die Gelassenheit europäischer Reeder ist nichts Neues. Schon im acht Jahre dauernden irakisch-iranischen Krieg schickten die meisten Reedereien ihre Besatzungen und Schiffe mitten in das Kriegsgebiet. „Nur eine große Gesellschaft“, so erinnert sich der Seefahrtsexperte Walter Nilsson in Helsingborg, „machte eine Ausnahme: Der griechische Reeder John Latsis, einer der größten der Branche. Der war reich genug, seine Schiffe jahrelang stilliegen zu lassen und erst nach dem Waffenstillstand wieder flott zu machen.“

Jetzt gibt sich die Branche sogar weniger besorgt als damals. „Wir glauben nicht, daß Tanker ein vorrangiges Bombenziel werden“, so Clarence Dybeck, Chef einer großen Stockholmer Charterfirma. Vor allem aber: Die Reedereien selbst laufen keinerlei Risiko, falls tatsächlich eines ihrer Schiffe beschädigt oder versenkt wird. Die Versicherungen decken alle möglichen materiellen Schäden ab. Und dort scheint die Schmerzgrenze, ab der sich die gestiegenen Frachtpreise im Vergleich zu den Versicherungsraten nicht mehr rechnen, noch nicht erreicht. Obwohl mittlerweile für eine Woche Persischen Golf als Versicherungsprämie 1,5 bis zwei Prozent des Versicherungswerts eines Schiffs als Prämie zu zahlen ist. Bei einem neuen Tanker für 100 Millionen Dollar sind das gleich 1,5 bis zwei Millionen Dollar — wobei die Ladung noch nicht mitversichert ist.

Nicht nur die Tankschiffreedereien machen nach wie vor gute Geschäfte. Die US-Armee hat eine Vielzahl von Roll-on-roll-off-Schiffen gechartert, teilweise haben Reeder Ostsee-Fährschiffe aus dem regulären Linienverkehr abgezogen, weil sich damit im Golf goldene Eier verdienen lassen. Die Besatzungen, die auf den möglichen schwimmenden Zielscheiben Dienst tun, haben wenigstens einen Risikozuschlag erhalten — nachdem sie Streiks angekündigt hatten. Seit Montag dieser Woche gibt es auf skandinavischen Schiffen doppelte bis dreifache Heuern bei Fahrten in den Persischen Golf, „Kriegsrisikozuschlag“. Auf den Tankern der Deutschen Shell jedoch nicht: Den Schiffen sei bisher ja nichts passiert.

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