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Börsen: Bombenstimmung!

■ „Nachkriegsrekord“ in Frankfurt/ Dollar gab nach, Goldspekulanten versenkt

Berlin (taz/dpa/ap/afp) — Es kam, was abzusehen war, nur alles ein bißchen schneller. Als der Krieg am Golf begann, gingen die Aktienkurse in Tokio, wo die Börse gerade geöffnet war, in den Keller. Doch je schneller die alliierte Luftüberlegenheit am Golf abzusehen war, umso stärker stiegen die Aktienkurse an. Auch an der Tokioter Börse hing ein Auge der Händler am Bildschirm, der die Kurse zeigte, und das andere beim US-Fernsehsender CNN.

Der Nikkei-Index für 225 Aktien, eine halbe Stunde nach Börsenbeginn um gut 300 Punkten gefallen, endete bei Handelsschluß der weltgrößten Börse um 1.004,11 Punkte oder 4,5 Prozent höher bei 23.446,81 Punkten (siehe unten). Grund der Bewegung: Weil die Ölpreise deutlich nachgaben, wird einstweilen nicht mit steigenden Energiekosten gerechnet, was der Wirtschaft förderlich ist und damit die Gewinnerwartungen verbessert. An den Tagen zuvor hatten die Aktienkurse deutlich nachgegeben, weil nicht anzusehen gewesen war, daß der Krieg so schnell so eindeutig verlaufen würde.

Der Dollar hingegen verhielt sich in Tokio genau umgekehrt: Bei Kriegsbeginn legte er kurz bis auf 1,55 DM bzw. 137 Yen in die Höhe, gab dann aber nach und endete in Tokio mit 134 Yen um 2,35 Yen niedriger als am Vortag. Der Hauptgrund: Die gehorteten Dollarbestände, mit denen die Spekulation bei Kriegsbeginn finanziert werden sollte, wurden blitzschnell aufgelöst, um damit die Aktien zu kaufen. In Frankfurt, der nächsten wichtigen Börse, eröffnete er dann mit 1,5245 DM und schloß am Mittag mit 1,5200 DM, knapp 2,5 Pfennig weniger als zum Fixing des Vortages.

Besonderes Pech hatten die vielen kleinen Spekulanten, die wohl der Meinung gewesen waren, mit dem beliebten Edelmetall am einfachsten vom Krieg profitieren zu können. Hatten die großen „Marktteilnehmer“ sich schon Mitte der letzten Woche mit Beständen eingedeckt, zogen um das Wochenende herum viele kleine nach und trieben damit den Preis um mehr als zehn Dollar pro Feinunze hoch — bis auf 403,70 Dollar. Bei Kriegsbeginn wurden in Fernost kurzfristig gar 411 Dollar bezahlt. Dann aber ging es abwärts, und als die für Gold bedeutendste Börse in London schloß, waren die 29,82 Gramm nur noch 388 Dollar wert, satte 19,50 Dollar weniger als am Mittwoch. Aus Zürich, wo offenbar besonders viel verkauft wurde, wurden am Donnerstag morgen gar Preise um 383 Dollar gemeldet. Wer sich gar an einem Kilobarren, in DM abgerechnet, versucht hatte, mußte 1.240 DM abbuchen und erhielt dafür gestern nur noch 18.810 DM zurück. 100 Schweizer Franken eröffneten nur leicht nachgebend mit 119,15 DM.

In einen kriegsbedingten Freudentaumel gerieten im Verlaufe des Donnerstags hingegen die Frankfurter Aktienhändler, weil praktisch unmittelbar mit Börsenbeginn die Tendenz aus Tokio aufgenommen worden war. Schließlich schloß die Börse mit dem steilsten Kursanstieg der „Nachkriegszeit“, womit ein Händler offenbar das Jahr 1945 meinte. Der DAX-Index legte 99,99 Punkte oder 7,5 Prozent zu und schloß mit 1.422,67 Punkten. Zwischendurch fanden die Börsen-Yuppies auch ihren alten Zynismus zurück. „Wie ist das Wetter in Bagdad? — Bedeckt, 3.000 Grad“, meldete einer. Der Händler einer deutschen Großbank sprach insgesamt von einer „makabren Reaktion“ auf den offenbar schnellen und erfolgreichen Schlag gegen Irak. Wegen des hohen Orderaufkommens verlängerte die Frankfurter Terminbörse ihre Handelszeiten um eineinhalb Stunden. BörsenbesucherInnen zeigten sich von den Kriegsgewinnlern entsetzt.

An der Züricher Börse begann der Handelstag mit „geradezu hysterischer Hektik und zahlreichen unsinnigen Gerüchten“ sowie einem Kursanstieg um rund vier Prozent. Der FT-100-Index in London schloß mit 64,30 Pluspunkten bei 2.117,70. Den Vogel schoß trotz allem die Börse in Wien ab — hier legten die Kurse zu Handelsbeginn gar um satte zehn Prozent zu. Dietmar Bartz

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