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„Man kann gar nichts machen“

Keine Erfahrungen mit brennenden Giftgasfabriken/ Am gefährlichsten sind die Lagerstätten/ Verseuchte Rauchwolken können auch weiterziehen  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) — Eines der Hauptziele der alliierten Angreifer werden früher oder später die irakischen Chemiewaffenfabriken sein. Irak soll daran gehindert werden, solche Waffen weiter herzustellen. Sind die Anlagen einmal in Brand, gibt es offenbar wenig Möglichkeiten eine unkontrollierte Verseuchung der Umgebung zu verhindern.

Bei dem zur Abwehr von atomaren, chemischen und biologischen Waffen ausgerüsteten ABC-Zug der Bundeswehr in Bruchsal zuckt man die Achseln: „Man kann gar nichts machen“. Weiter heißt es, es fehle im Grunde jede Erfahrung und Kenntnis wie mit dem Brand einer Chemiewaffenfabrik umzugehen sei. Bei flüchtigem Gas könne man im Prinzip nur die Fenster schließen und die Gasmaske aufsetzen.

Auch Walter Reichenmüller vom Bundesverteidigungsministerium kann nur wenig mehr sagen. Soldaten könnten ihre ABC-Schutzmasken und Kampfanzüge anlegen, der Zivilbevölkerung hilft das wenig. Reichenmüller unterscheidet zwischen residenten und flüchtigen Giftgasen. Das Hautgiftgas „Lost“ sei ein „residenter Kampfstoff“, der am Ort der Freisetzung bleiben würde. Soldaten würden einem solchen Gas also versuchen auszuweichen. In seiner flüchtigen Form als Senfgas dagegen sei das kaum möglich. Was für den Kampfeinsatz der Giftgase gelte, „gilt in irgendeiner Form natürlich auch, wenn da (aus getroffenen Fabriken) Kampfstoffe austreten sollten.“

Toxikologen vermuten, daß die Auswirkungen brennender Giftgasfabriken zunächst räumlich begrenzt bleiben. Giftgase sollten am Einsatzort Wirkung erzielen, „deswegen würden sie lokal eingesetzt“, so der Kieler Toxikologe Carsten Alsen- Hinrichs. Freisetzungen im Umfeld von Städten könnten dennoch gravierende Folgen haben. Konzentrationen von 1.500 Milligramm Lost pro Kubikmeter Luft reichen aus, um Menschen nach einer Minute elend verrecken zu lassen. Bei dem noch perfideren Nervengiften Tabun und Sarin, die die Atmung lähmen, reichen schon 250 bis 400 Milligramm.

Flüchtiges Giftgas würde sich wahrscheinlich so verteilen, daß erst „in 10 bis 20 Kilometer Entfernung von der getroffenen Fabrik keine wirksamen Konzentrationen mehr bestehen.“ Im Klartext: Tausende Tote wären zu befürchten. Noch gefährlicher als die Fabriken selbst seien möglicherweise Bombentreffer an Lagerstätten des Giftgases außerhalb der Fabriken.

Alsen-Hinrichs räumte auch ein, daß nicht genau bekannt sei, „was mit den Kampfstoffen passiert, wenn man sie erhitzt — ob Folgeprodukte entstehen, die vielleicht noch brisanter sind.“ Sollte das Giftgas in geschlossenen Wolken freiwerden, könnten zudem wirksame Konzentrationen auch über weitere Entfernung driften.

Neben chemischen Waffen steht der Irak auch im Verdacht biologische Waffen herzustellen. Irak hat die B-Waffen-Konvention von 1972 nicht unterschrieben. Im Gegenteil: Nach einem Bericht der „Ökologischen Briefe“ haben die Irakis in den vergangenen Jahren Erreger und Materialien zur Züchtung von B-Waffen-Erregern aus den USA und der Bundesrepublik beschafft. Schottische Erfahrungen mit dem B-Waffen-Erreger Milzbrand zeigen, daß verseuchte Inseln nur nach massivem Chemikalieneinsatz fast 50 Jahre später überhaupt wieder betreten werden können.

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