Hingabe und Hämmern

■ Was haben Scherben mit dem Krieg am Golf zu tun? KOMMENTAR

Das schlimmste ist, man hat sich schon fast an sie gewöhnt — an die Helden von CNN, die den Krieg in die Wohnzimmer tragen. Ein gigantisches Feuerwerk, unterfüttert mit aktualisierten Plansollmeldungen: 18.000 Tonnen Bomben abgeworfen, feindliche Eliteeinheiten »vernichtet«. Krieg ist sauber und machbar, lautet die Message. Die 150.000, die in Berlin am Donnerstag auf die Straße gingen, haben außer ihrer Kriegsgegnerschaft auch ein gewisses Maß an Immunität gegen diese weltweite Verdummungsstrategie bewiesen. Und das ist, bei aller Hilf- und Machtlosigkeit, schon eine ganze Menge. Bloß rechtfertigt der massenhafte Protestwillen keineswegs die Verdummung der Demonstrierenden. Denn den Kundgebungsrednern war — mit wenigen Ausnahmen — die Forderung nach einem Abzug der Irakis aus Kuwait zu banal, als daß sie sie ausgesprochen hätten. Um Hussein nicht nur als Opfer zu sehen, muß man nur die in der Stadt lebenden Kurden aus dem Irak fragen.

Und dann die Scherben auf dem Ku'damm und am Tauentzien. Ob der Antiimperialismus weltweit siegt, wenn das Bärenpils aus zertrümmerten Auslagen geklaut wird, mag jeder für sich beantworten. Im globalen Sinne soll ja alles irgendwie zusammenhängen. Wer am Donnerstag abend mit Hingabe und Hämmern Auto- und Kaufhausscheiben zertrümmerte, hat nur eines eindrucksvoll bewiesen: daß sein moralischer Horizont sich ungefähr auf dem Level jener Politiker in Washington, London oder Bonn eingependelt hat, die seit Kriegsausbruch von Betroffenheit faseln und die irakische Zivilbevölkerung ins abendliche Tischgebet einschließen. Letztere hinterlassen eine Schleimspur der Heuchelei, erstere einen Scherbenhaufen. Andrea Böhm