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Volksabstimmung: Vorsichtig gebremst

Wiesbaden (taz) — Die HessInnen werden am Sonntag nicht nur den Landtag wählen, sondern auch in einer Volksabstimmung über den Naturschutz und die Direktwahl von BürgermeisterInnen entscheiden. Ob ihre Entscheidung allerdings jemals Gesetzeskraft bekommt, ist dahingestellt.

Der Hessische Staatsgerichtshof hatte am Donnerstag in einem sybillinischen Urteil entschieden, daß die Abstimmung zwar stattfinden, aber erst in Kraft treten könne, wenn das Gericht mit seiner Verhandlung über die Rechtmäßigkeit zu einem Ende gekommen sei. Und das werde drei Monate dauern. Die Klage gegen die Volksabstimmung war von vierzehn SPD-Abgeordneten eingereicht worden, die den Text auf dem Abstimmungszettel als Irreführung der WählerInnen und die Koppelung mit der Landtagswahl gerügt hatten. Sie forderten jetzt den Ministerpräsidenten aufgrund des Urteils auf, das Plebiszit zu stoppen.

Die Grünen und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) begrüßten das Urteil ebenfalls. Sie fanden ihre Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit bestätigt. Sie stimmen zwar dem Vorhaben zu, dem Umweltschutz Verfassungsrang einzuräumen, wollen ihn jedoch als „Grundrecht“ und nicht nur als „Staatsziel“ verankert wissen. Nur dadurch könne, so BUND-Sprecher Engert, der Umweltschutz „einen Vorrang bei wirtschaftlichen Entscheidungen des Staates“ haben und den Verursachern die „Pflicht zur Vermeidung neuer und Beseitigung alter Umweltschäden“ aufgegeben werden. Zahlreiche Naturschutzorganisationen, Umweltinitiativen, Grüne und SPD haben zum Boykott der Volksabstimmung aufgerufen, die sie u.a. eine „Scheinabstimmung“ nannten, die das Volk als Verfassungsgeber diskreditiere.

Die CDU erklärte dagegen, der Staatsgerichtshof habe mit seiner Entscheidung „den Weg für die Volksabstimmung freigemacht“.

Landesanwalt Apel hatte die inkriminierten Volksabstimmungsformulare in der mündlichen Verhandlung verteidigt. Sie reichten für den „normalen Stimmbürger“ durchaus, der die Bedeutung von Gesetzestexten ohnehin nicht entschlüsseln könne. Er mußte sich von einem der elf Staatsrichter die Frage gefallen lassen, ob er schon einmal „über die Möglichkeit des Mißbrauchs“ solcher unzureichender Formulare nachgedacht habe. Heide Platen

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