Nur 20 Grad im Büro

■ Japans Finanzwelt und die Versuche, Energie zu sparen

Tokio (taz) — Bereits gestern zogen die asiatischen Börsen nicht mehr mit. Die Kriegseuphorie der New Yorker Wall Street schwappte nicht über den Pazifik, und die östlichen Aktienmärkte, allen voran Tokio, wiesen nur geringfügige Schwankungen auf. Nach einem Tagesgewinn von über 1.000 Punkten am Donnerstag stieg der Tokioter Aktienindex „Nikkei“ am Freitag um 361,49 Punkte auf einen Wochenendstand von 23.808,30. „Der Krieg ist zwar für die Menschheit ein Unglück, aber die Aktien werden ihrem derzeit schlechten Schicksal entkommen“, bemerkte Nippons populärster Börsenkommentator Tooru Matsumoto. Gegen solch unverfrorenen Business-Zynismus gibt es in Tokio wenig Einwände. Zwar können auch Rüstungsunternehmen in Japan nicht mit direkten Profiten aus dem Golfkrieg rechnen — es gilt weiterhin das japanische Waffenexportverbot —, doch verspricht sich die Tokioter Finanzwelt viel von einem US-amerikanischen Sieg in Nahost.

Marktgewinner in Tokio waren die Unternehmen mit direkten Interessen in Kuwait, allen voran die dort vertretenen Ölraffinerien und Schiffahrtsbetriebe. Erst seit Kriegsbeginn können diese Unternehmen auf eine rasche Restauration der kuwaitischen Besitzverhältnisse hoffen — eine diplomatische Konfliktlösung hätte die Rückgabe der Poduktionsstätten wohlmöglich lange aufgeschoben. Vom Tokioter Aktienanstieg ausgeschlossen blieben Banken und Versicherungen. Sie können ihre an die Golfregion verteilten Kredite nach einem teuren Krieg noch schwerer zurückgewinnen.

Es blieb schließlich der japanischen Regierung vorbehalten, vor wirtschaftlicher Unvernunft zu warnen. Statt Aktien zu kaufen, empfahl sie den Unternehmen des Landes, die Bürotemperatur auf 20 Grad Celsius zu senken. Doch die empfohlene Sparsamkeit kontrastierte gestern mit der Ankündigung, daß Japan den multilateralen Truppen im Golf weitere zwei Milliarden Doller zur Verfügung stellen werde. Georg Blume