Menschenkette um das 5. US-Corps

Rund 10.000 Menschen demonstrierten gestern wieder in Frankfurt am Main/ Jüdische Gruppe kritisiert Friedensbewegung/ Ruth Turner: Politiker sind keine griechischen Helden  ■ Aus Frankfurt/M. Heide Platen

Nach und nach sickerten die Demonstrationszüge am Samstag kurz nach zwölf Uhr aus allen Stadtteilen auf den Opernplatz in Frankfurt, bis dann doch wieder rund 10.000 Menschen versammelt waren. Die anfänglich befürchtete „Demonstrationsmüdigkeit“ hatte sich nicht eingestellt. SchülerInnen, die in den letzten Tagen bemängelten, daß „die Erwachsenen“ nicht kämen, konnten diesmal jede Menge Bezugspersonen entdecken. Der hessische DGB-Vorsitzende Karl-Heinz Jungmann forderte noch einmal nachdrücklich die Enteignung deutscher Waffenproduzenten, „auch wenn das Arbeitsplätze kostet“. Er sagte außerdem: „Kein Krieg ist heilig, wie der Irak meint, und kein Krieg ist gerecht, wie die USA meinen.“ An die Regierung Israels richtete er den Appell, nicht in den Krieg einzugreifen: „Ich nehme mir das heraus, belehrend zu sein.“ Die betroffenen Staaten müßten sich jetzt unter Aufsicht der UNO-Truppen zu einem „KSZE- ähnlichen Prozeß“ zusammenfinden.

Jungsmanns Appell an Israel traf den Nerv einer kontroversen Diskussion am Rande der Demonstration. Mitglieder der Frankfurter Jüdischen Gruppe hatten die Friedensbewegung kritisiert, die kein Wort über die Raketenangriffe auf Tel Aviv verloren habe, sondern ihr Mitgefühl — zumindest in ihren öffentlichen Äußerungen — ausschließlich auf die Menschen im Irak richte. Sie sei erschüttert, sagte eine Frau, die am Vorabend bei einer Mahnwache vor der irakischen Fluggesellschaft mit dabei war: „Alle meine Freunde wissen, daß meine Mutter in Israel lebt. Aber niemand hat mich angerufen, niemand hat gefragt, wie es mir geht!“

Mit Kopfschütteln wurden auch einige Transparente quittiert. „Unsere Autos fahren mit Blut“, stand auf einem zu lesen. Mitten durch die Menge zog mit Trommeln und Pauken ein riesiges Gerippe mit einem Schild um den Hals: „Danke: MTG, Siemens, Immhausen!“

Für die Frankfurter StudentInnen forderte Jens Warburg auf der Demonstration Sanktionen gegen Rüstungskonzerne, die schließlich „mit Namen und Adresse“ bekannt seien. Er kündigte für Montag morgen die Blockade der Börse an. Ein Vertreter des Stadtschülerrates sagte, die SchülerInnen seien einerseits „wütend auf ihre Eltern und Lehrer“, die ihren Protest nicht verstünden, andererseits auf „die Medien, die uns in die Nähe von Chaoten rücken“. Sie riefen dazu auf, an den Schulen Komitees gegen den Golfkrieg zu gründen: „Wir lernen nicht für den Tod.“

Für die Umweltschutzverbände betonte Edgar Bernhardt noch einmal die Solidarität mit der Friedensbewegung. Dazu gehören inzwischen die bundesdeutschen Verbände ebenso wie Robin Wood, Greenpeace und terres des hommes. Der Türke Ylmaz Karahassan und die Amerikanerin Ruth Turner wandten sich gegen ihre Regierungen. Turner zum Auftreten von Präsident Bush in der Öffentlichkeit: „Der Krieg ist keine antike Tragödie, die Politiker sind keine griechischen Helden. Sie sind mittelmäßige Versager.“ Sie stellte sich schützend vor zwei Demonstranten, die versucht hatten, auf dem Dach des Lautsprecherwagens eine türkische und eine amerikanische Flagge zu verbrennen: „Fahnen sind nicht heilig.“ Eine große Menschengruppe hatte erst ihren Unmut gegen die Aktion bekundet, dann aber mit erhobenen Händen das Einschreiten der Polizei verhindert.

Im Anschluß an die Kundgebung zogen die DemonstrantInnen zum Gelände des 5. US-Corps, teilten sich dort und bildeten eine Menschenkette. Der Pressesprecher der Polizei, Reinstädt, sagte am Nachmittag: „Alles sehr friedlich. Die Verkehrsbehinderung nehmen wir gerne in Kauf.“ An der US-Airbase, die von rund 70 Menschen blockiert wurde, wartete der Bundesgrenzschutz vergebens auf mögliche Unruhen. Im Vorfeld dieser Aktion war es, so die Veranstalter einer Blockade in der vergangenen Woche, zu „einem Terminchaos“ gekommen. Sie sagten die Aktion, zu der sie nicht aufgerufen hatten, die aber dennoch „mit einem ominösen Fax“ weiterverbreitet worden war, ab.

In den letzten Tagen hatten Hessens Ministerpräsident Wallmann und andere Unionspolitiker die Demonstrationen und Aktionen der Friedensbewegung immer wieder scharf angegriffen, weil sie „der Gewalt Vorschub“ leisteten.