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Risse in der Einheitsfront

■ Die Nachricht vom zweiten irakischen Raketenangriff auf Israel hat die Hoffnungen der Bush-Administration auf einen Verzicht der Israelis, Vergeltungsschläge durchzuführen, erheblich gedämpft. Der Kriegseintritt Israels könnte die Koalition zum Wackeln bringen.

Den möglichen Implikationen eines militärischen Schlags Israels gegen den Irak gilt an diesem Wochenende die Hauptsorge der Politiker, Diplomaten und Journalisten in der US-Hauptstadt. Die Nachricht vom zweiten irakischen Angriff mit Scud-B-Raketen auf israelisches Territorium um ein Uhr am Samstag morgen (Washington Ortszeit) dämpfte die Hoffnungen, daß Israel weiterhin auf einen Gegenschlag verzichten wird, ganz beträchtlich. Die Bush-Administration befürchtet im Falle einer militärischen Aktion Israels das Auseinanderfallen der „Koalition“ gegen den Irak. Entsprechende Ankündigungen hatte bereits vor Beginn des Golfkrieges die syrische Regierung gemacht. Und auf die vom ägyptischen Botschafter in Washington, Abdel el-Reedy, nach dem ersten irakischen Scud-B-Angriff abgegebene Erklärung, die USA bräuchten sich „keine Sorgen zu machen“, sein Land bleibe „ein zuverlässiges Mitglied der Koalition“, möchte hier inzwischen niemand mehr wetten.

Die Hoffnungen auf israelische „Zurückhaltung“ genährt hatten die Statements von Regierungsmitgliedern in Jerusalem sowie des Botschafters in Washington, nachdem die ersten irakischen Raketen am späten Donnerstag abend in Tel Aviv eingeschlagen waren. In keinem dieser Statements war jedoch eine formelle Erklärung enthalten, Israel werde auf ein militärisches Eingreifen verzichten. Darum bemühten sich Präsident Bush und Außenminister Baker in zum Teil hektischen diplomatischen Aktivitäten vergeblich. Zugleich gab es jedoch über die Bekräftigung des „grundsätzlichen Rechts Israels auf Selbstverteidigung“ hinaus keinerlei Andeutungen für ein militärisches Eingreifen in der aktuellen Situation.

Präsident Bush hatte sich diese „Zurückhaltung“ unter anderem mit der Zusage an Premier Schamir erkauft, die militärischen Einsatzplanungen zu verändern und der Aufspürung und Zerstörung sämtlicher mobilen Scud-B-Raketen absoluten Vorrang zu geben.

Israel behält sich Entscheidung vor

Seit dem zweiten Scud-B-Angriff haben zahlreiche israelische Politiker, Diplomaten und Militärberater ausdrücklich angekündigt, man werde zurückschlagen und behalte sich die Entscheidung über Zeitpunkt, Art und Ort der Aktion vor. In Washington streiten sich die Experten darüber, wie ernst diese Ankündigung zu nehmen ist, oder ob sie nicht vor allem zur Beruhigung der israelischen Bevölkerung erfolgte. Militärexperten können sich nicht vorstellen, daß die israelische Luftwaffe größere Erfolge bei der Zerstörung irakischer Raketen(-stellungen) hätten als bislang die US-Amerikaner, Engländer und Franzosen.

Zu zahlreichen Spekulationen führt in diesem Zusammenhang die Frage, warum Israel die Scud-B-Raketen eigentlich nicht mit Patriot- Abwehrraketen zerstört hat, wie die US-Streitkräfte dies in der Nacht zum Freitag erfolgreich in der saudischen Wüste praktizierten.

Ausbildung an US-Systemen

Höchste Pentagonstellen bestätigen inzwischen, daß die seit Dezember in Israel stationierten Patriot-Systeme entgegen ersten Darstellungen bereits einsatzbereit sind. Es fehle allerdings noch an israelischen Bedienungsmannschaften. Diese sollen nach einer Anweisung von Präsident Bush in den nächsten Tagen in den USA ausgebildet werden. Außerdem verfügte er die Lieferung von zwei weiteren Patriot-Batterien nach Israel. Die Frage, warum dies alles nicht schon längst vor dem 15.Januar geschehen war, zumal Israel mit den Patriot-Systemen ja keine Offensivaktionen gegen arabisches Territorium unternehmen kann, weiß in Washington derzeit niemand schlüssig zu beantworten. Sicher scheint nur, daß diese Maßnahme zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr ausreicht, um Israel von einer militärischen Aktion gegen den Irak abzuhalten. Andreas Zumach, Washington

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