: Die Sanfte aus Charlotte, N.C.
■ Daryle Ryce, Sängerin, über Balladen, schwatzende Gäste und Nashville
hierhin die
lächelnde
Schwarze
„Yes, I know, I am one of them, but I am against it!“ Mit diesen Worten begann Daryle Ryce ihren ersten Auftritt am Freitagabend in der Schauburg; beim Gespräch am Abend vorher wußte sie noch nicht so recht, wie und ob sie den Kriegsbeginn kommentieren sollte. Jeder Auftritt eines Künstlers aus den USA hat heute ganz andere Vorzeichen als noch vor wenigen Tagen.
„Meine Freunde rieten mir sogar dringend von dem Flug hierher ab, aber ich denke, ich bin hier auch jetzt noch sicherer als in den Straßen meiner Heimatstadt Charlotte in North Carolina.“ Was sonst hat sich für sie jetzt geändert? „Es tut weh“, sagt sie, „ich bin ja eher ein sanfter Rebell. Aber viele von den Songs, die ich singe, stammen aus einer Zeit, die der heutigen sehr ähnlich ist. Die Songs von Musikern wie Joni Mitchell und James Taylor aus der Zeit des Vietnamkriegs sind leider wieder sehr aktuell.“
Daryle Ryce hat ein großes Repertoire, aus dem sie spontan die Songs für ihre Auftritte zusammenstellen kann: „Je nach der Stimmung des Publikums mische ich dann eigene Songs mit bekannten Klassikern.“ Ihre Konzerte sind Reisen durch die populäre Musik der letzten vierzig Jahre: von alten Spirituals über Gershwin und die Beatles bis zu Ella Fitzgerald und Soulgrößen.
„In Amerika“, sagt sie, „werden die Leute so mit Musik vollgedröhnt, daß sie kaum noch hinhören. Ich trete dort oft in Hotels und Restaurants auf. Du kannst dir nicht vorstellen, wie gut ich mich hier letztes Jahr gefühlt habe, als plötzlich ein ruhiges Publikum aufmerksam zuhörte. Ich wollte gar nicht mehr nach Hause!“
In Daryles Musik ist auch ein sehr starker Country-Einfluß zu erkennen. „Ja“, sagt sie, „ich wollte bis vor kurzem eine richtige Countrysängerin werden, manchmal trete ich sogar mit Stiefeln und Cowboyhut auf. Country ist der einzige Stil, in dem man heute noch schöne Balladen singen kann. Außer im Jazz natürlich, und der bringt in den USA nicht genug Geld“.
Daß bei uns nur einige sehr merkwürdige Leute Countrymusik hören, findet sie ganz in Ordnung. „In den USA sind diese Leute genauso merkwürdig, aber es gibt eben eine ganze Menge davon. Ich bin sogar nach Nashville gezogen, aber dort ist wahnsinnig viel Konkurrenz. Da würde es sich lohnen, Gitarrensaiten in den Zigarettenautomaten zu verkaufen. Mich haben die kaum ernst genommen, angeblich gibt es nur zwei gute schwarze Countrymusiker, und von denen kannte ich den zweiten nicht einmal.“
Im ersten Schauburg-Konzert merkte man Daryle ihre Freude über das deutsche Publikum deutlich an. Nach ihrem Set ließ sie sich nicht lange um Zugaben bitten, sagte lächelnd „I'm easy“ und sang fast eine Stunde lang weiter. Willy Taub
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