: Mentaler Body-Check
■ Preussen gewinnt Eishockey-Lokalderby gegen Dynamo Berlin klar mit 8:1
Charlottenburg. 6.063 Augenpaare waren am Freitag abend in der ausverkauften Eissporthalle Jaffestraße auf Dynamo-Torwart Bielke gerichtet, die ersten Wetten liefen... Würde er wieder ausrasten? Wird er zuschlagen? Entgleist das Eishockey-Ortsderby Dynamo gegen Preussen?
Wir erinnern uns an den 16. Dezember, Ost-Berlin, oben genannte Akteure: Das Spiel eskaliert zu einer 20minütigen wüsten Schlägerei, nachdem West-Silk Ost-Bielke mit dem Finger ins Auge gestochen hat und den solcherart geblendeten anschließend mit dem Stock prügelte. Bielke schlägt wie wild um sich, beide Teams folgen mit Hingabe und voller Konzentration seinem Beispiel. Die grenzenlose Arroganz und Überheblichkeit der reichen Westler sei schuld, beteuern die Dynamos. Die Preussen dagegen monierten eine ungewöhnlich aggressive Atmosphäre. Klassenkampf on ice.
Beim vierten Lokalderby sollte es zur Abwechslung hart, aber sportlich zugehen. Keine Tätlichkeiten, forderte die Preussen-Führung. So dachte sich Manager Stefan Metz etwas besonders Teuflisches aus: Er rief die Dynamo-Spieler dazu auf, absichtlich abzusteigen, um dann zu einem Westklub wechseln zu können, wo sie reich entlohnt würden. Hintergrund dieses heimtückischen Vorschlags ist das Abkommen zwischen den Erstligisten, den Ex- DDR-Klubs binnen zweier Jahre keinen Spieler abzuwerben. Und außerdem, so Metz, bestünden bereits Vorverträge mit Dynamos Kienaß, Schertz und Hiller. „Psychologische Kriegsführung sei das“, schimpfte deren Vorsitzender Dieter Waschitowitz, der sich ohnehin mit Sorgen um den Klassenerhalt plagt. Dynamo kämpfe unbeirrt um den Klassenerhalt. Doch der Stachel saß. Und bei dem ein oder anderen Ostberliner beschlich einen schon der Verdacht, daß die Gedanken mehr bei fünfstelligen Gehältern als beim Puck waren. Wen wunderts, angesichts der 1.500 Mark, mit denen sie — allesamt Polizisten — derzeit entlohnt werden. Vielleicht aber war's auch die Feindseligkeit, die die Gäste lähmte. Nur vereinzelte Dynamo- Fans konnten 25-50 Mark pro Karte bezahlen, die wenigen schüchternen Rufe gingen unter im Gebrüll der Preussen-Anhänger.
„Bundeslioga zwei, Dinamo ist dabei“ und „Bielke, Schweinehund“ tönte es von den Tribünen. Was die Gäste derart mitnahm, daß nichts klappte. Nationaltorhüter Bielke war derart auf Silks Finger fixiert, daß er seine Aufgabe, Tore zu verhindern, schmählich vernachlässigte. Seine Mitstreiter wirkten gehemmt, geradezu paralysiert, und erwischte einer zufällig die Scheibe, gab er sie per Fehlpaß flux an die Preussen zurück. Die wenigen Torchancen machte Keeper Merk grinsend zunichte, während die Preussen gänzlich ungeniert die Dynamo-Hälfte okkupierten. Nach dem ersten Drittel stand es 4:0 für Preussen, das Spiel war entschieden. Nur der Sowjetrusse Jaschin steckte nicht auf und schoß im Alleingang das einzige Tor für Dynamo. Immerhin schielt ja die ganze Bundesliga... miß
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen