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ZDF-Livesendung „Wir stellen uns“: Jedem sein Klischee

Nach der Sendung konnten sich die ZDF-Leute anerkennend auf die Schultern klopfen. Endlich einmal richtige Live-Atmosphäre in einer Sendereihe, die ansonsten doch eher zum Einschlafen wirkt. Wir stellen uns heißt das selbstkritische Feigenblatt des Mainzer Senders, in dem einmal im Monat ein Herr aus der Chefetage sich vor laufender Kamera Zuschauerfragen stellt. Diesmal hatten Chefredakteur Klaus Bresser und Moderator Frank Elstner die Redaktionsräume der taz auserkoren, um mit kritischen LeserInnen über Fragen der Informationsvermittlung im Fernsehen zu diskutieren. Daß mittlerweile der Krieg im Golf ausgebrochen war, machte das TV-Ereignis um so brisanter. Die ZDF-Macher hatten sich auf Zwischenfälle vorbereitet, denn, so das gängige Klischee, „die taz ist doch für Überraschungen immer gut“. Und so kam es wie es — zumindest in den Augen der Fernsehmacher — kommen mußte: Etwa 40 GolfkriegsgegnerInnen verschafften sich Eingang zu der gerade erst in Schwung gekommenen Diskussion live aus der zum ZDF-Studio umfunktionierten taz-Kantine. Mit einem Transparent und lautstarken Sprechchören unterbrachen sie die Sendung, um vor laufender Kamera ihr Statement abzugeben. Deutsche Firmen seien wegen ungebrochener Rüstungsexporte unmittelbar am Golfkrieg beteiligt, das Fernsehen, wie auch alle anderen Medien, würden nur einseitig über den Krieg berichten und den massenhaften Protest dagegen ganz verschweigen. Allgemeine Zustimmung. Das ZDF, ganz selbstkritisch, brach die Sendung nicht ab. Frank Elstner vesuchte, das abrupt unterbrochene Gespräch nun mit den ungebetenen Gästen wieder in Gang zu bringen. Zu einer differenzierten Diskussion über die Berichterstattung des ZDF kam es dennoch nicht. Zu sehr saß das Schwarzweißdenken in den autonomen Köpfen fest. Da half auch der Zwischenruf einer taz-Leserin nicht weiter, die die Engstirnigkeit der BesetzerInnen beklagte, die offenbar neben ihrer militanten Haltung keine andere Meinung dulden. Zu guter letzt schaltete sich noch die ebenfalls geladene Abordnung der Rollstuhlfahrer ein. Sie wollten die ZDF-Sendung zum Forum nutzen, um medienwirksam auf ihre Diskriminierung hinzuweisen. Die Sendezeit raste ihrem Ende entgegen, die KriegsgegnerInnen skandierten „Giftgaskrieg und Völkermord, das ist BRD-Export“, um dann — wie solidarisch — mit den Behinderten auf die Parole „Bus und Bahn für alle“ umzuschwenken. Wie so oft im Fernsehen entspann sich eine echte Diskussion erst dann, als die Kameras längt abgeschaltet waren. Da waren die Protestler allerdings längst weg. Sie hatten wie auf Regieanweisung zum Schluß der Sendung die Medienbühne wieder verlassen. Nicht schlecht dieser Auftritt. Dem ZDF verhalf er zur nötigen Live-Atmo und den TV-Glotzern bestätigte er ihre liebgewonnenen Klischees. utho

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