: Softeishockey
■ Patriotische Eruption beim All-Star-Match der Eishockeyliga NHL/ West besiegte Ost mit 11:5 PRESS-SCHLAG
Als der Sänger die kanadische Nationalhymne intonierte, war die Stimmung noch leicht andächtig, beim anschließenden „Star Spangled Banner“ gerieten die 17.317 ZuschauerInnen im Chicago Stadium jedoch völlig außer Rand und Band. Sie tobten, brüllten und jubelten sich in einen patriotischen Rauschzustand, der durchaus an die von Saddam Hussein inszenierten Massentobsuchtsanfälle in Bagdad erinnerte.
Äußerer Anlaß des kollektiven Kriegstanzes war das 42. All-Star- Match der nordamerikanischen Eishockeyliga NHL zwischen den Cracks der westlichen Campbell- und der östlichen Wales-Conference. Der hymnische Taumel und die Transparente auf den Rängen ließen kaum Zweifel daran, daß zumindest das Eishockeypublikum seinem kriegswütigen Präsidenten treu ergeben ist: „Hier gibt es keine Flaggenverbrenner, Gott segne Amerika“ hieß es markig, und: „Unsere wahren All-Stars sind am Golf.“
Superstar Wayne Gretzky hatte sich zwar dafür ausgesprochen, das traditionelle Match wegen des Golfkrieges ausfallen zu lassen, als seine Mahnung nichts fruchtete, trug er jedoch brav sein Scherflein zum überraschenden 11:5-Triumph seines West-Teams bei. Nach neun Minuten des zweiten Drittels schoß Gretzky in seinem zwölften All-Star-Match sein elftes Tor und schwang sich damit auch in dieser Disziplin zum alleinigen Rekordhalter auf.
Liebling des Publikums war jedoch ein anderer: „Guuuyyy, Guuuyyy“ dröhnte es dumpf durch die Halle, wenn ein dunkelblonder Haarschopf in die Nähe des Pucks geriet. Der 39jährige Guy Lafleur, den sie in seiner großen Zeit die „Sonne auf Kufen“ nannten, der einzige Spieler, der noch nach Altvätersitte ohne Helm übers Eis flitzte, bestritt wohl sein allerletztes All-Star-Game.
Die Matches des Ostens gegen den Westen zeichnen sich vor allem dadurch aus, daß konsequentes Softeishockey gespielt wird. Es gibt kaum Unterbrechungen, die Verteidiger unterlassen fast jeglichen Körperangriff, die Stürmer dürfen endlich mal nach Herzenslust zaubern und aufs Tor ballern, ohne ständig an die Bande geklatscht zu werden. Für die Torhüter ist die Sache ein zwiespältiges Vergnügen. Zum einen bekommen sie reichlich Gelegenheit, ihre Künste vorzuführen, zum anderen kassieren sie jede Menge Tore.
Die Campbell-Keeper hatten diesmal Glück, daß bei den Ostis nur der zweifache Torschütze Pat LaFontaine von den New York Islanders gefährlich wirkte, während die normalerweise so schußgewaltigen Verteidiger Paul Coffey und Ray Bourke einen ebenso schwarzen Tag erwischt hatten wie Cam Neely, der Goalgetter der Boston Bruins. „Wales“ konnte heilfroh sein, daß Phil Houseley von den Winnipeg Jets die grassierende Sanftheit nicht aushielt, im Schlußdrittel eifrig festhielt, beinstellte und sich die beiden einzigen Zweiminutenstrafen des Abends einhandelte. Die zwei Überzahl-Tore des Ost-Teams hielten den Abstand in einigermaßen erträglichen Grenzen.
Wesentlich geschickter stellten sich die Wessis an, bei denen Steve Yzerman, Mark Messier, die Los Angeles-Sturmreihe Gretzky-Robitaille-Sandström und vor allem der zum besten Spieler des Matches gewählte Vincent Damphousse von den Toronto Maple Leafs, dem bei seinem ersten All-Star-Auftritt gleich vier Treffer gelangen, zu großer Form aufliefen.
Die sowjetischen NHL-Cracks wie Makarow, Fetisow oder Mogilny waren aus guter, alter Feindschaft wieder nicht für würdig befunden worden, beim Reigen der Größten mitzuschlittern, dafür gab es ein absolutes Novum: den ersten deutschen All-Star.
Als einziger Vertreter der Buffalo Sabres durfte der Ex-Kölner Uwe Krupp im Chicagoer Stadium seine Verteidigungskünste zeigen. Die Niederlage der Waliser konnte aber auch er nicht abwenden. Matti
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